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Sport: Auf Dauer hilft kein Brezelsalz

Die Wintersportarten sorgen sich angesichts des Klimawandels um die Zukunft

Es schneit. So dicht fallen die Flocken in Bischofshofen, dass niemand es wagt, auch nur einen einzigen Skispringer vom Balken zu schicken. Zu gefährlich. An gleicher Stelle ist früher der Österreicher Paul Ausserleitner tödlich verunglückt, er stürzte im Training schwer und erlag vier Tage später seinen Verletzungen. Seitdem trägt die Schanze in Bischofshofen seinen Namen. Nun also gefährden die Schneemassen das Abschlussspringen der Vierschanzentournee. Zunächst wird es um zwei Tage verlegt, schließlich muss es sogar im 20 Kilometer entfernten Hallein stattfinden. Das war 1956.

In diesem Jahr wird das nicht passieren. Heiter und fünf Grad plus, lautet die Vorhersage für das heutige Abschlussspringen der 55. Vierschanzentournee (16.30 Uhr, live bei RTL). Mit Brezelsalz und Kunstdünger präparieren die Organisatoren Anlaufspur und Auslaufbereich, damit der Kunstschnee den warmen Temperaturen standhält. Sie können das Salz gleich aufbewahren. Britische Wissenschaftler haben für 2007 das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen prognostiziert. Dabei waren 1994, 2000, 2002 und 2003 bereits die wärmsten Jahre in der Alpenregion seit 500 Jahren. Der Klimawandel hat den Wintersport erreicht.

Am stärksten sind die Alpinen betroffen. Renndirektor Günther Hujara sagte schon zu Saisonbeginn: „Wer glaubt, dass wir künftig große Probleme mit dem Wetter haben werden, liegt falsch – wir haben sie jetzt schon.“ Von 20 alpinen Veranstaltungen des Internationalen Skiverbandes (Fis) an diesem Wochenende sind zehn mit den Hinweisen „cancelled“, „check changes“ oder „new place“ versehen. Die Alpinen müssen im Gegensatz zu den Skispringern mehr Kunstschnee produzieren, was aufgrund der warmen Temperaturen nicht immer möglich ist. Auch gestalten sich die Trainingsmöglichkeiten schwierig. Die US-Amerikaner üben im Sommer auf chilenischen Gletschern. „Es ist beängstigend“, sagt der US-Rennläufer Steven Nyman, „seit drei, vier Jahren können wir beobachten, wie die Gletscher langsam verschwinden.“

Das deutsche Alpin-Team trainierte im Sommer in einer Skihalle in Dubai. Damen-Bundestrainer Mathias Berthold sagte: „Wir freuen uns, dass wir eine Alternative zu den Gletschern gefunden haben.“ Dabei kostet Ski fahren in der Wüste sehr viel Energie und fördert damit noch mehr den Klimawandel. „Wir sind wahrscheinlich die Schlimmsten“, sagt der Rennläufer Nyman selbstkritisch, „wir fliegen von hier nach da, fahren überall hin und verbrauchen jede Menge Treibstoff und Energie.“ Seine Teamkollege Ted Ligety will dem ein bisschen entgegenwirken und fährt so oft wie möglich Autos mit Elektroantrieb. „Auch die kleinen Dinge helfen“, sagt der Olympiasieger von Turin. Gemeinsam mit seiner Teamkollegin Julia Mancuso engagiert er sich im World Wide Fund For Nature (WWF) gegen den Klimawandel.

Nicht ganz so dramatisch sieht Walter Hofer die Situation. „Wir gehen von der Formel sieben zu drei aus“, sagt der Fis-Renndirektor im Skispringen, „sieben Winter wird es kein Problem geben, drei Winter werden schwieriger.“ Hofer besitzt für diese Prognose eine interessante Quelle: „Das ist mein Feeling aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre.“ Er sorgt sich nicht um seinen Sport, zumal die meisten Sprungschanzen mit Kunstschnee gut zu präparieren sind. In eine Halle will er nicht ausweichen, auch wenn sich damit eine Absage wegen zu starken Windes wie zuletzt in Garmisch-Partenkirchen vermeiden ließe. „Wir müssen authentisch bleiben“, sagt Hofer, „wir sind ein Freiluftsport, Wind und Schnee sind das Zünglein an der Waage.“

Bei den meisten Wintersportarten wird allerdings nach den schlechten Erfahrungen dieser Saison darüber nachgedacht, die Saison künftig später oder an schneesichereren Orten zu starten. „Kuusamo ist nicht ideal“, sagt Hofer. Er kann sich statt eines Weltcupauftakts in Finnland ein Springen in Russland oder Kasachstan vorstellen.

Auch das Langlaufen leidet unter dem Verschwinden des Winters. Die erste Station der Tour de Ski ist ausgefallen, beim Sprint im Münchner Olympiastadion trauerte Evi Sachenbacher-Stehle dem alpinen Ambiente nach. „Das ist toll für die Zuschauer, aber mir gefällt es besser, wenn es schneit und Berge zu sehen sind. Ich laufe am liebsten bei fünf Grad minus, Sonnenschein und Pulverschnee.“

Ein solch traumhaftes Winterwetter aber wird seltener, glaubt man einer Prognose der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Danach wird in Deutschland in den nächsten 20 Jahren die Zahl der schneesicheren Gebiete um 60 Prozent sinken. Eine Entwicklung, die für den Wintersport existenzbedrohend ist. Trotz Skihallen und Schneekanonen macht sich der Langlauf-Renndirektor der Fis, Jürg Capol, darüber auch keine Illusionen: „Wenn es einmal keinen Winter mehr gibt, gibt es auch kein Langlaufen mehr.“

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