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Sport: Auf dem kleinen Dienstweg

Die unspektakuläre Reise nach Polen könnte für Hertha spektakuläre Folgen haben

Posen. Die Fußballer von Hertha BSC haben schicke Anzüge, dunkelblau, klassisch geschnitten, dazu tragen sie eine blaue Krawatte mit weißen Querstreifen. Wenn der Berliner Bundesligist in dienstlicher Mission unterwegs ist, sieht so die offizielle Ausgehkluft aus. Als die Profis gestern in Posen (Poznan) aus dem Flugzeug stiegen, trugen sie ihre ganz gewöhnlichen Trainingsanzüge. Es war nur ein kleiner Dienstweg: 45 Minuten dauerte der Flug von Tempelhof in östlicher Richtung über die Grenze nach Polen, 280 Kilometer liegen zwischen Berlin und dem Bestimmungsort Grodzisk-Wielkopolski, in dem Groclin Dyskobolia Grodzisk, Herthas heutiger Gegner im Uefa-Cup (17.30 Uhr), beheimatet ist. Und trotzdem könnte es eine denkwürdige Reise werden.

In den Boulevardzeitungen aus der Heimat konnten die Berliner Profis vor dem Abflug etwas von „Stevens’ Schicksalswoche“ lesen, von der „Woche der Wahrheit“ für Hertha und vom „ersten Endspiel für Stevens“. Solche Schlagzeilen nähren die latenten Spekulationen über die Arbeitsplatzsicherheit von Cheftrainer Huub Stevens – als ob sein Engagement in Berlin ein rasches Ende nehmen würde, falls die Mannschaft gegen Grodzisk ausscheiden und auch am Samstag gegen Bayer Leverkusen in der Bundesliga nicht gewinnen sollte. Mehr als Spekulationen sind das allerdings nicht. „Das hat keinen Hintergrund“, sagt Herthas Manager Dieter Hoeneß. „Mit solchen Floskeln kann ich nicht viel anfangen.“ Und mit der Diskussion über Stevens schon mal gar nicht.

„Wir müssen einfach weiterkommen“, sagt Herthas Torhüter Gabor Kiraly. Er wird schon am Flughafen von polnischen Journalisten abgefangen. Am Wochenende hat er mit Ungarns Nationalmannschaft in der EM-Qualifikation 1:2 gegen Polen verloren. Beide Tore hat Andrzej Niedzielan erzielt. Niedzielan spielt für Grodzisk. Angst hat Kiraly deswegen nicht. Schon deshalb nicht, weil Trainer Stevens Angst quasi verboten hat: „Angst ist ein schlechter Ratgeber.“ Generell ist es so, wie Fredi Bobic es ausdrückt: „Unser Problem wird nicht der Gegner sein, unser Problem werden wir selbst sein.“ In diesem Sinne wird inzwischen auch das Hinspiel interpretiert, das Hertha laut Stevens „ein nicht so gutes Ergebnis“ eingebracht hat, ein dünnes 0:0 nämlich. Für Bobic, der erst seit dieser Saison für die Berliner spielt, war die Begegnung vor drei Wochen „das schlechteste Spiel, das wir je gemacht haben“. Im Umkehrschluss bedeutet dies: Wenn die Mannschaft in Grodzisk nur annähernd ihre Normalform erreicht, dürfte sie mit ihrem Gegner keine allzu großen Probleme bekommen. „Wir wissen, dass es nicht so ganz einfach wird“, sagt Manager Hoeneß. „Andererseits müssen die Polen uns schlagen, um weiterzukommen. Das sollte man nicht vergessen.“

Grodzisk baut auf seine Zuschauer im kleinen Dyskobolia-Stadion, das erst seit Mai eine Flutlichtanlage besitzt und damit tauglich für den Europacup ist. 5000 Menschen finden auf den Rängen Platz, darunter werden aber auch 400 Hertha-Fans sein. „Ein kleiner Hexenkessel“, sagt Trainer Huub Stevens. Davon solle sich die Mannschaft aber nicht beeindrucken lassen. „Du musst mit Vertrauen in das Spiel gehen, aber auch mit Spaß“, sagt Herthas Trainer. Am liebsten wäre es ihm, wenn das 1:0 für seine Mannschaft in der letzten Minute des Spiels fiele. „Dann kann nicht mehr viel passieren“, sagt Huub Stevens. Vertrauen in die eigene Stärke sieht anders aus.

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