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Sport: Auf der geraden Bahn

Der Jockey Chin saß in Hongkong im Gefängnis – am Sonntag startet er in Hoppegarten

Hoppegarten. Hongkong ist im Galoppsport so etwas wie Hollywood für den Film. Pferderennen haben dort eine wahrlich gigantische Dimension erreicht. Jeder Jockey ist stolz über eine Gastlizenz und sei sie noch so kurz. In der rennfreien Winterpause treffen sich deshalb die besten Jockeys Europas und Amerikas in Hongkong. Deutschland ist dagegen fast ein Entwicklungsland. So gesehen ist Stanley Chin eine Art Entwicklungshelfer. Der 29-jährige Hongkonger ist derzeit als Jockey häufig auf deutschen Bahnen unterwegs und wird am Sonntag zum ersten Mal in Hoppegarten starten.

Doch der Ausflug ist nicht ganz freiwillig. Chin musste in Hongkong wegen Wettmanipulation für dreieinhalb Jahre ins Gefängnis. Dort, wo an einem Tag so viel gewettet wird wie in Deutschland auf allen Bahnen im ganzen Jahr, sind nicht nur die Verdienste extrem hoch, sondern auch die Strafen.

Weil er vom Hong Kong Jockey Club daraufhin keine neue Lizenz erhalten hatte, beantragte Chin im Januar vergangenen Jahres wenige Tage vor seiner vorzeitigen Haftentlassung in Deutschland eine Lizenz. Doch der hiesige Verband verweigerte sie mit der Begründung, „dass das Ansehen des Rennsports es nicht zulasse, dass einem solchen Straftäter aus dem Ausland in Deutschland eine Berufsrennreiterlizenz erteilt wird.“ Zudem hieß es: „Diese Taten und die Tatumstände sprechen für ein sehr hohes Maß an krimineller Energie.“

In Irland sieht man das offensichtlich nicht so eng. Seit Mai dieses Jahres darf er mit einer irischen Lizenz wieder weltweit reiten. Hinter Europas Topstar Michael Kinane ist er einer von vier Jockeys, die für den Stall des besten europäischen Trainers Aidan O’Brien arbeiten. Auch deutsche Trainer dürfen ihn nun wieder engagieren, und sie tun es häufig. Schon bei seinem Comeback in Baden-Baden sowie wenig später in München und bei der Derbywoche in Hamburg sorgte er für Aufsehen – positiv und negativ. Seit dem Idee-Hansa-Preis haftet Chin allerdings das Image des Rennbahn-Rüpels an. Er hatte das Rennen mit Valley Chapel trotz einer sichtbaren Verletzung nicht abgebrochen. Das Pferd musste eingeschläfert werden.

Neben dem Pfeifkonzert der Zuschauer musste sich Stanley Chin auch eine zwölftägige Sperre gefallen lassen. Die Strafe setzte jedoch erst drei Tage nach der Derbywoche ein, und so konnte er mit seinem zweiten Platz mit Randsom O’War im Deutschen Derby wieder für positive Schlagzeilen sorgen. Mit dem Großen Preis von Berlin steht am Sonntag das zweite von drei Rennen der höchsten internationalen Kategorie an, die in Hoppegarten gelaufen werden (Beginn 14 Uhr). Beim mit 55 000 Euro dotierten Gruppe-III-Rennen wird Chin mit Speedlimit für Trainer Christian Sprengel in die Startbox gehen. Für den Chinesen ein ungewohntes Rennen. Denn das Sprintrennen über 1300 Meter wird auf der in Deutschland geraden Bahn gelaufen. Etwas, das es selbst in Hongkong nicht gibt.

Weitere Informationen im Internet:

www.galopprennbahn-hoppegarten.de

Ingo Wolff

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