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Sport: Auf der Kirmes tanzen

Leverkusen sucht Zerstreuung in der Champions League

Leverkusen. Die Augen Klaus Toppmöllers glänzen wieder, der Fußballromantiker in ihm ist wieder kaum zu bremsen vor Vorfreude. Am Samstag, nach dem erneuten Rückschlag in der Bundesliga, war Bayer Leverkusens Trainer direkt nach Barcelona geflogen, um sich dort im Stadion Camp Nou den spanischen Klassiker gegen Real Madrid (0:0) anzusehen, als Vorbereitung für das erste Gruppenspiel der Champions-League-Zwischenrunde heute in der BayArena. Zusätzlich hat er sich „einen ganzen Tag per Video Barcelona reingezogen“, um gegen die einzige Mannschaft, die in Europa in dieser Saison bislang alle Spiele gewann, ein taktisches Konzept auszuknobeln. „Es steht uns ein großer Tag bevor“, sagt Toppmöller pathetisch, für den „jedes Spiel in der Champions League ein besonderes ist“.

Und gleichzeitig bedeutet dieser Festtag – und dies ist eine auffallende Parallele zum Ende der vergangenen Saison, als Leverkusen in der Liga die Luft ausging – eine Ablenkung vom tristen, weil momentan wenig erfolgreichen Alltagsgrau. Die Spiele vor eigenem Publikum gegen Gladbach oder in Bielefeld, das ließ Toppmöllers Ansprache erahnen, betrachtet er als nervtötende Etüden, als langweilige Tonleiterfolgen. Was sind schon Spieler wie Witeczek, Wichniarek oder Vata im Vergleich zu Kluivert, Overmars oder Saviola? Da stehen schmucklose Fußballarbeiter mondänen Künstlern gegenüber, großen Geigern des Weltfußballs, die ein Sinfonieorchester erst veredeln.

Toppmöller macht die bisher gezeigte Inkonstanz seiner Truppe „wahnsinnig“. Aber so sehr ihn der derzeitige zwölfte Tabellenplatz auch drückt und er wiederholt einräumen musste, dass seiner Mannschaft die spielerischen Möglichkeiten in letzter Zeit verlustig gingen, so sieht er dennoch gute Chancen auf ein Weiterkommen in der Zwischenrunde. „In dieser Gruppe kann jeder jeden schlagen“, sagt Toppmöller optimistisch, „außerdem haben wir in der letzten Saison als Außenseiter bewiesen, dass wir über uns hinauswachsen können.“ Toppmöller wird hoffen, dass diese erste Begegnung erneut zu einer Art Wendepunkt in der Saison gerät; der 2:1-Heimsieg gegen die Rot-Blauen im Vorjahr hatte Bayer das erste Mal den Glauben an große Qualitäten gegeben und für den Grundstein für eine furiose Spielzeit gesorgt. Diesmal aber wird Bayer Leverkusen nicht darauf bauen, dass der Gegner ihn unterschätzt.

Toppmöller hat indes „Schwächen in den Abwehrreihen“ ausgemacht. Vor allem aber ist „große Geduld“ gefordert, sagt der Trainer, „wir dürfen einfach hinten nicht so schnell aufmachen“. Ansonsten wird er seine Mannschaft vor zu viel Respekt vor dem Weltensemble warnen: „Die kochen auch nur mit Wasser und haben auch nur zwei Beine.“ Ist nur die Frage, wie schnell diese den Ball nach vorne tragen.

Toppmöller hofft auf den Einsatz des angeschlagenen Bastürk, „der ja im letzten Jahr ein eminent wichtiger Spieler gegen Barca war“. Die verletzten Juan und Ojigwe hingegen sind seiner Aussage nach noch nicht wieder fit. Das größte Problem für Leverkusen wird auch in dieser Partie die Sturmformation bilden. Das Angriffsspiel ist bisher eine einzige Enttäuschung. Ob er nicht mit neuen Angreifern zur Winterpause spekuliere, wurde Toppmöller deswegen gefragt. Der Trainer winkt ab. Er hat keine Lust mehr auf die ewig gleich lautenden Diskussionen. Entsprechend fällt sein Kommentar dazu aus: „Man muss mit den Mädchen tanzen, die auf der Kirmes sind“, diejenigen in New York oder in Hongkong seien uninteressant. Die Mädchen heißen heute also weiterhin Brdaric, Berbatow, Neuville, Franca – und Kirsten. Toppmöller wird hoffen, dass diese Mädels ihn nicht zum Weinen bringen.

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