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Sport: Auf der Pflasterstraße der Leiden

Die Astana-Fahrer Winokurow und Klöden kämpfen sich nach ihren Stürzen durch – Kessler entlassen

Schon lange sind die Etappen bei der Tour de France nicht mehr so langsam gewesen wie in diesem Jahr. Mit gerade einmal 37 Stundenkilometern gondelte das Peloton am Freitag durch die Bourgogne, fast fünf km/h langsamer als der Tourschnitt des vergangenen Jahres. Und doch war es einer der härtesten Renntage in der Laufbahn von Alexander Winokurow und Andreas Klöden. Die beiden Tourfavoriten hatten sich fünfeinhalb Stunden unter starken Schmerzen bei starker Hitze über mittelfranzösische Landstraßen gequält.

Nach Stürzen am Donnerstag sind die beiden Astana-Vorfahrer schwer lädiert: Klöden hat einen Haarriss am Steißbein, Winokurow tiefe, schmerzhafte Fleischwunden an beiden Knien. „Andreas hatte starke Beschwerden beim Sitzen und Alexander konnte kaum Kraft auf die Pedale bringen“, berichtete der Sportliche Leiter Mario Kummer im Ziel. „Zum Glück war das heute eine Bummeletappe.“ Wäre es im Feld zur Sache gegangen, hätten die beiden Tour-Favoriten möglicherweise gestern schon aufgeben müssen. Wenige Kilometer vor dem Ziel des Tagesabschnitts, den Tom Boonen in einem Spurt gewann, mit dem er Erik Zabel das Grüne Trikot wieder entriss, deutete Winokurow mit einer über die Kehle gezogenen Hand an, wie ihm dieser vergleichsweise ruhige Tag gefallen hatte.

Am Donnerstag hatte sich Mario Kummer einen Scherz darüber herausgequält, dass Astana Freitag, den 13. wohl um einen Tag vorgezogen habe. So richtig Erleichterung hatte ihm das Witzeln jedoch nicht verschafft. Im Laufe des Abends war dem Sportlichen Leiter das Lachen vollends vergangen. Astana musste schließlich noch einen anderen Sturz bekannt geben, den von Matthias Kessler hinab in den Dopingsumpf. Die B-Probe bestätigte: Kessler hat mit Anabolika gedopt, sein Testosteronwert war zu hoch. Astana entließ den 28 Jahre alten Nürnberger, Kessler erhält nun eine zweijährige Sperre, zwei weitere Jahre wird er nicht für ein Team der Pro Tour fahren.

In Kasachstan können die Dopinggerüchte um das Team der Begeisterung nichts anhaben. Der radsportverrückte Verteidigungsminister Danial Achmetow hat immerhin für vier Jahre jeweils zwölf Millionen Euro bei sieben kasachischen Konzernen locker gemacht, damit das zentralasiatische Land sich als aufstrebende Wirtschaftsmacht in das westliche Bewusstsein drängt. Am besten, indem gleich zwei Mann mit den kasachischen Landesfarben auf dem Trikot in Paris auf dem Siegerpodest stehen. Die Erwartungen der ganzen Nation ruhen auf Winokurow und Klöden.

Dieses große Ziel ist nach den Stürzen erst einmal aus der Greifweite gerückt. Immerhin konnten sich der kasachische Kapitän und sein deutscher Stellvertreter am Freitag als echte Radsport-Heroen gerieren, die unvorstellbare Qualen auszuhalten bereit sind. „Ich akzeptiere das Leiden“, hatte Winokurow am Start gesagt. „Ich hatte eine schlimme Nacht“, beschrieb Klöden seinen Zustand. „Aber ich werde alles versuchen.“

Das Leiden ist der Stoff, aus dem Tour- Legenden geboren werden, wie auch Tour-Chef Christian Prudhomme unlängst anmerkte. Der letzte große Mann der Schmerzen war 2003 der Amerikaner Tyler Hamilton, der mit einem gebrochenen Schlüsselbein Gesamtvierter wurde und eine Etappe gewann. Hamilton war der Publikumsliebling jener Tour, die Radsportwelt vergötterte ihn. Jedenfalls bis er im Jahr darauf wegen Blutdopings aus dem Verkehr gezogen wurde.

Man mag die leidenden Helden, sie machen die Tour erst so richtig schön. Wenn sie zwielichtige Mediziner konsultieren, um das alles leichter oder wenigstens schneller zu überstehen, mag man das hingegen nicht so gerne. Insofern sollte man sich vielleicht wünschen, dass Winokurow und Klöden den Mut haben, bald auszusteigen. Es ist allerdings zu befürchten, dass ihre ein Leben lang eingeübte Radlermentalität sie dazu treibt, durchzuhalten.

Die 7. Etappe führt heute von Bourg-en- Bresse nach Le Grand Bornand (197,5 km).

Sebastian Moll[Bourg-en-Bresse]

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