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Sport: Auf einem guten Weg zurück

Dank vieler Talente können die Dortmunder auch die Bayern wieder herausfordern

Es ist nicht allzu oft zu erleben, dass sich die Bayern aus der Ruhe bringen lassen. Schließlich lebt hierzulande kein Verein so konsequent dieses Selbstverständnis, dass am Ende niemand anderes als er selbst oben stehen wird. Dieses Credo wurde beim Gastspiel in Dortmund ins Wanken gebracht. Nach dem Spiel berichtete Manager Uli Hoeneß, wie sich in den letzten zehn Minuten auf der Bank die Angst breit gemacht habe, den in der zweiten Halbzeit herausgespielten Vorsprung noch herzugeben: „Da war bei uns Panik auf der Titanic“, sagte der alte Fahrensmann mit einem Grinsen, das Erleichterung verriet.

Nachhaltig erschüttert worden ist das Münchener Selbstwertgefühl nicht, denn der Meister hat am Ende vor 81 000 Zuschauern mit 2:1 die Oberhand behalten. Mit „sehr viel Glück“, wie Hoeneß einräumte, „das so oft strapazierte Klischee von den Dusel-Bayern hat tatsächlich mal gestimmt“. Dafür hat man die Bayern selten nach einem Spiel so aufgeräumt erlebt wie in Dortmund. Was in erster Linie daran gelegen haben mag, dass sie allen Grund hatten, sich in Gönnerlaune zu präsentieren. Schließlich haben sie dank der Treffer von Ali Karimi und Claudio Pizarro einen neuen Rekord aufgestellt: 14 Siege in 17 Spielen, das hat noch nicht einmal die goldene Generation mit Beckenbauer, Müller und Maier in den Siebzigerjahren geschafft.

„Wir sind total im Soll“, sagte Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge und verkündete, dass die Bayern 2005 „in einem super Jahr überhaupt nur fünf Spiele verloren haben“. Eine Erfolgsbilanz, die auch dem Umstand geschuldet ist, dass die Bayern ihre größte Tugend, effektiver und erfolgsorientierter zu spielen als die Konkurrenz, unter Trainer Felix Magath perfektioniert haben. „Die Mannschaft hat die Qualität, auch Spiele zu gewinnen, in denen wir vermeintlich nicht so gut spielen“, sagte Torhüter Oliver Kahn. Und Dortmunds Trainer Bert van Marwijk resümierte achselzuckend: „Das ist die Qualität der Bayern – sie schießen im entscheidenden Moment die Tore.“

Trotz des eindrucksvollen Zahlenwerks des Herbstmeisters wurde in den Katakomben des Westfalenstadions nicht in erster Linie über die Heldentaten des souveränen Branchenführers gesprochen. Das Gespräch wurde von der beeindruckenden Vorstellung des Verlierers beherrscht. Die Art und Weise, wie die Dortmunder, die nach dem Ausfall von neun Profis das mit einem Durchschnittsalter von 22,5 Jahren jüngste Team ihrer Bundesligageschichte auf den Rasen geschickt hatten, gegen einen übermächtigen Gegner auftraten, nötigte allen Beobachtern Respekt ab. Magath sprach von einer „sensationellen Leistung“, und man müsse „den Hut davor ziehen, was Bert van Marwijk mit dieser halben Jugendmannschaft auf die Beine stellt“.

Das Herzblut, mit dem sich die jungen Dortmunder wehrten, stufte Magath als Beispiel gebend ein: „Wir können aus diesem Spiel lernen, dass wir uns nicht nur auf unsere Qualität verlassen dürfen, sondern auch was tun müssen.“ Dass seine Spieler die Bayern derart ins Wanken gebracht hatten, machte van Marwijk „sehr zufrieden und auch stolz“. Doch mehr als der Treffer durch Kringe war den Gastgebern nicht vergönnt, was den holländischen Trainer zur Erkenntnis animierte: „Du bekommst nicht immer das, was du verdienst.“

Auch ohne Punkte durften sich die Dortmunder jedoch zu den Gewinnern zählen, weil die Ansammlung von hochveranlagten Youngstern nach einem Jahr voller Existenzängste auf eine bessere Zukunft hoffen lässt. Tatsächlich bewiesen die Sahin, Kruska, Odonkor und Hünemeier, dass es in Dortmund auch ohne Tomas Rosicky geht. Wenn der tschechische Regisseur, der gegen die Bayern gesperrt zuschaute, in der Winterpause tatsächlich zu Atletico Madrid transferiert wird, muss in Dortmund niemand in Depressionen verfallen. Und in München ahnen sie, dass der große Konkurrent der Neunzigerjahre der Nummer eins künftig wieder auf Augenhöhe begegnen könnte. „Die haben so viele Talente“, sagte Hoeneß, „mit denen ist bald wieder zu rechnen.“

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