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Sport: Auf Kontaktsuche

Beim Golfturnier in Schanghai lernt China einen ungewohnten Sport kennen

Herr Hu ist zuständig für Sportarten mit „kleinen Bällen“ in der Volksrepublik China. Hockeybälle, Tischtennisbälle, Golfbälle, alles bis zur Größe eines Tennisballes. Der Golfbälle wegen fallen auch die Asian Open in Schanghai in den Verantwortungsbereich des Herrn Hu. Deshalb steht der hochgewachsene Chinese im „Tomson Schanghai Pudong Golf Club“ auf einer Brücke mit Kunstrasen neben Ernie Els, Colin Montgomerie, Nick Faldo, Luke Donald und Miguel Angel Jiménez und schlägt zur Eröffnung des Turniers bunte Golfbälle in einen Wasserlauf hinter dem 18. Grün.

Nach dieser Vorführung lächeln alle etwas betreten. Die Spieler vor allem deshalb, weil sie kein Wort von all den chinesischen Ansprachen verstehen. Herr Hu vielleicht, weil sich bei dieser Gelegenheit herausstellt, dass er überhaupt nicht Golf spielen kann, obwohl er neben seinem Amt für die kleinen Bälle und der Position im Olympischen Komitee Chinas auch noch als Vizepräsident der China Golf Association tätig ist.

Für Faldo, Els, Montgomerie, Donald und Jiménez ist die neue Arbeitsstätte China offensichtlich ungewohnt. „Stars wie Ernie Els sind der absolute Kick für die Chinesen“, stellt der Sprecher der PGA European Tour, Scott Crockett, leicht erschöpft vom hektischen China fest. Schon in der vergangenen Woche beim Turnier in Peking hat das neugierige Interesse der Chinesen alle Bereiche des Lebens der Profis umfasst. Luke Donald etwa hat einem Tageszeitungsreporter unter anderem eine Antwort auf die Frage gegeben, wie viele Unterhosen und Hosen er für seinen zweiwöchigen Aufenthalt in China denn mitgenommen habe.

Vor fünf Jahren noch stand China als Austragungsort überhaupt nicht auf dem Spielplan. Inzwischen hat sich die Lage geändert. Golf ist den Chinesen durchaus ein Begriff. Schließlich entwickelt sich der Sport hier in einem Tempo wie nirgendwo anders auf der Welt. 1984 noch brachte China es auf einen Golfplatz, 1998 waren es weniger als 30. In den vergangenen sieben Jahren hat sich die Zahl aber sprunghaft auf 205 erhöht. Die Summe der organisierten Golfer ist laut Vizepräsident Hu auf über 200 000 gestiegen – bei einer Gesamtbevölkerung von geschätzten 1,3 Milliarden Chinesen noch immer eine winzige Minderheit.

Nach amerikanischem Vorbild ist der Golfplatz in Schanghai umgeben von großen Villen auf allerdings winzigen Grundstücken. Zwischen 800 000 und 2,4 Millionen Euro kostet eines der Gebäude, dazu 80 000 Dollar für die Mitgliedschaft im Club – bei einem Durchschnittseinkommen von etwa 240 Euro für den Normalchinesen horrende Beträge.

Aufregend und auch ein wenig komisch findet der Nürnberger Torsten Dier es in Schanghai: der Golfplatz, mitten in der Stadt, eingehüllt in Wolkenkratzer, der Himmel verhangen von einer milchigweißen Smogwolke über der 16 Millionen Einwohner zählenden Stadt. Vor dem 18. Grün ragt ein seltsam spitzer Hügel mit einer Kappe aus weißen Steinen hervor. Er soll den japanischen Berg Fujiyama nachempfinden. Dazu kommen all diese Menschen, die aufgeregt auf Kontaktsuche mit den Golfprofis sind.

„Heiß-laut“ nennen die Chinesen solch ungewöhnliche und interessante Begebenheiten. „Heiß-laut“ ist so ein Golfturnier demnach allemal.

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