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Sport: Auf Kurs zu den Piraten

Beim Volvo Ocean Race der Hochseesegler lauern eine Menge Gefahren auf die High-Tech-Boote

Berlin - Als das Volvo Ocean Race vor zwei Jahren zu Ende ging, knallten in der Zentrale des niederländischen Bankenkonsortiums ABN Amro die Sektkorken. Das Geld war gut angelegt worden. Die holländische Finanzgruppe hatte sich den Luxus geleistet, gleich zwei Schiffe für die traditionsreiche, extrem harte Ozeanregatta auszurüsten und einmal um die Welt zu schicken. Das hätte auch schief gehen können in einem Rennen, bei dem eines der Millionen Euro teuren Konkurrenzboote unterging, Havarien und technische Defekte an der Tagesordnung waren. Doch die Banker bekamen nicht nur beide Boote zurück, die schwimmenden Geldanlagen kehrten auch als Sieger heim, was ihren Weiterverkauf beträchtlich erleichterte.

Als Erster zugegriffen hat der Tchibo-Erbe Günter Herz, ein begeisterter Hochseesegler. Als Anteilseigner bei Puma suchte Herz nach einem geeigneten Trainingsgerät, um den Einstieg des Sportartikelherstellers ins maritime Geschäft vorzubereiten – als nasser Laufsteg. Eigentlich stattet die Firma aus Herzogenaurach Leichtathleten und Fußballer aus. Doch das soll sich nun ändern. Gummistiefel gehören bereits zur Kollektion. Mit der springenden Raubkatze im Segel hebt sich der knallrote Karbon-Neubau zudem eindrucksvoll vom Meer ab. Schön anzusehen ist das schon mal.

Doch die „Il Mostro“ gehört zu einem Typus überzüchteter Speed-Maschinen, von dem Rekorde erwartet werden. Die 22-Meter-Yacht trägt mit bis zu 800 Quadratmetern Segelfläche so viel Tuch wie ein America’s Cupper, ist aber nur halb so schwer. Der wegen seiner großzügigen Vermessungsformel „Open 70“ genannte Bootstyp erreicht mit Rückenwind Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 30 Knoten, umgerechnet 54 Stundenkilometer. Wie ein Surfbrett gleiten 14 Tonnen geballte Kraft übers Wasser. Aber „Il Mostro“ zu segeln, ist kein Spaß: An Bord fühlt man sich wie auf dem Dach eines Reisebusses, der ohne Bremsen einen Steilhang hinabschießt. „Die Verhältnisse an Bord ähneln einem Gefangenenlager“, sagt Puma Skipper Ken Read. Wenig Schlaf, Nässe, Kälte und die physische Anstrengung, das Boot an Grenzen zu bringen, sind ständiger Begleiter des – vormals als Whitbread Round The World Race firmierenden – Hochseespektakels.

Wie gefährlich das sein kann, daran erinnert der Tod von Hans Horrevoets. Der 32-jährige Niederländer wurde 2006 in den Atlantik gespült, nachdem die „ABN Amro II“ bei viel Wind mit der Nase vorne eingetaucht war und Wasser übers Deck walzte. Horrevoets hatte sein Sicherheitsgeschirr als einziger noch nicht angelegt. Er wurde von Bord gewaschen. Trotz der dramatischen Bergung blieben Wiederbelebungsversuche erfolglos.

Das war der schlimmste in einer langen Reihe unheilvoller Vorfälle, die den Hochseeklassiker 2005/06 begleitet hatten. Die meisten gingen auf das Konto einer unausgereiften Technik. Nun sollen neue Sicherheitsstandards das Risiko mindern. Die erste von zehn Etappen des Ocean Race wurde am Samstag im spanischen Alicante gestartet. Trotzdem findet sich bei der diesjährigen Neuauflage des Rennens unter den Hauptsponsoren keine Bank mehr.

Stattdessen dominieren Telekommunikationsunternehmen. Der schwedische Handy-Anbieter Ericsson ist gleich mit zwei Teilnehmerbooten vertreten, ebenso die größte spanische Telefongesellschaft. Sie unterstrichen ihre Favoritenrolle in einem Vorbereitungsrennen, das vergangenen Samstag vor Alicante ausgetragen wurde. Die acht Teams, unter anderem aus Russland, Irland und den USA, mussten ihre für die Weiten der Weltmeere konstruierten Yachten auf engstem Raum manövrieren. Das erforderte Fingerspitzengefühl und eine schon früh eingespielte Mannschaft. Den Dreh raus haben offenbar am besten die Schwesternschiffe Telefonica Blue und Black. Sie belegen Rang eins und zwei. Gefolgt von Ericssons Star-Crew um Skipper Torben Grael auf dem vierten Platz. Dritter wurde in dem Prolog bei mäßigen Winden die Puma-Yacht – ein vielversprechender Auftakt für die Crew, die auf immerhin schon elf Weltumsegelungen kommt.

Für das Endergebnis spielen die Kurzbahn-Regatten eine untergeordnete Rolle. Denn vor den Teams liegen 39 000 Meilen. Acht Monate wird sich das Gehetze diesmal hinziehen. Zehn Häfen werden auf einer Route angesteuert, die erstmals auch Indien und Asien mit einbezieht und Ende Juni 2009 in St. Petersburg endet. Zahlreiche Zwischenwertungen sollen das Feld beieinander halten. Wobei sich die High-Tech-Flotte mit ihren weithin sichtbaren, bunt bedruckten Segeln auch durch gefährliche Piratengebiete bewegt. Die Straße von Malakka gehört ebenso dazu wie das Südchinesische Meer. Die Organisatoren behaupten zwar, das Sicherheitsproblem im Griff zu haben, aber niemand wagt vorauszusagen, was sich die Gelegenheitsdiebe vor Ort von den teuren Edelkänen versprechen könnten.

An Bord der „Il Mostro“ fährt auch ein deutscher Teilnehmer mit: Michael Müller, 25, zuletzt beim deutschen America’s Cup Team beschäftigt. Er ist dabei, weil das Reglement für die zwölfköpfigen Crews je zwei Segler unter 30 Jahren vorsieht. Er werde steuern, die Segel trimmen und auf dem Vorschiff arbeiten, sagt Müller. Vermutlich müsste er als Mädchen für alles auch noch die Videofilme drehen und über Satellit verschicken, mit denen die Teams ihren Kampf als multimediales Ereignis inszenieren (siehe www.volvooceanrace.com). Doch für diese Aufgabe ist diesmal eigens ein Medienbeauftragter vorgeschrieben. Er steuert die fünf fest installierten Kameras, die Mikrofone und Headsets. So werden aus Seefahrern Pioniere des vernetzten Zeitalters. Nennen wir sie einfach Ozeanonauten.

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