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Sport: Aufhören, wenn es am schönsten ist

BERLIN .Eines soll nicht vergessen werden: Gewonnen ist trotz des beeindruckenden 79:64 über Real Madrid im vorletzten Spiel der Europaliga-Zwischenrunde noch nichts für Alba Berlin.

BERLIN .Eines soll nicht vergessen werden: Gewonnen ist trotz des beeindruckenden 79:64 über Real Madrid im vorletzten Spiel der Europaliga-Zwischenrunde noch nichts für Alba Berlin.So sahen es auch die besten Spieler des Deutschen Basketball-Meisters an diesem Abend, Henrik Rödl und Kiwane Garris.Der Amerikaner freute sich, "mein bestes Spiel für Alba" gemacht zu haben, und Rödl hoffte, "daß diese Leistung in Erinnerung bleibt".Aber beider Glücksgefühl wurde beeinträchtigt durch das, was verloren ist.Der schönste Auftritt dieser Saison vor 7214 Zuschauern in der Schmeling-Halle ist international der vorerst letzte gewesen.Die Berliner haben im dritten Jahr ihrer Europaliga-Zugehörigkeit erstmals die Play-offs verpaßt.Zwar zogen sie auf der Zielgeraden an KK Zadar vorbei, doch der Tabellenvierte Ülker Istanbul ist nicht mehr einzuholen."Schade, daß es so lange gedauert hat, bis die Mannschaft sich gefunden hat", klagte Rödl, "erst nach dem siebten Spiel hat man gesehen, welches Potential sie hat." Und Garris: "Glücklich bin ich nicht, wir haben ja die Play-offs verpaßt."

Traurigkeit also kurz nach dem Triumph bei den Spielern, großes Lob dagegen von anderer, berufener Seite: "Svetislav Pesic hat gut gearbeitet", sagte Reals Trainer Clifford Luyk, "er hat aus wenig sehr viel gemacht." Geradezu bewundernd analysierte Bundestrainer Henrik Dettmann die Lage beim Deutschen Meister: "Das ist ihr Konzept: Werde besser jeden Tag.Gelingt dir das, wirst du irgendwann anfangen zu gewinnen.Wenn ein Coach das schafft, dann sagt das eine Menge aus." Auch dies sollte nicht vergessen werden: Alba war mit sieben Niederlagen in die Europaliga gestartet.Die vier Routiniers Karassew, Harnisch, Welp und Arigbabu mußten ersetzt werden; zumindest der Verlust der beiden Erstgenannten hat den Verein kalt erwischt.Geholt wurden lauter junge Spieler, die einerseits anfangs selbst noch nicht reif waren für die Europaliga, was andererseits die Entwicklung des Teams bremste.Doch besonders bei Garris und Patrick Femerling sind die Fortschritte enorm."Der Hauptgrund dafür, daß es bei uns zuletzt so aufwärts ging", meint Rödl, "ist Kiwane Garris.Er hat die Mannschaft jetzt voll im Griff."

Der Kapitän spricht auch zu Recht vom guten Charakter seiner Mannschaft nach einem solch mißratenen Start."Was sollst du machen?" fragt Femerling, "du versuchst, Stückchen für Stückchen wieder ranzukommen.Du kannst ja nichts anderes tun." Das Wort Aufgeben scheint im Alba-Vokabular nicht zu existieren.Und wieder einmal hat sich gezeigt, daß nicht nur "neue Besen" gut kehren.Der "alte Besen Pesic" hat diese vermeintliche Sport-Weisheit beiseitegefegt.Inzwischen verkraftet die Berliner Mannschaft sogar, daß Wendell Alexis nun seit einiger Zeit seine Treffsicherheit verloren hat.Andere punkten für ihn.Und packen zu - wie Geert Hammink, der gegen Madrid eines seiner besten Spiele machte und sich nicht scheute, Angriffe des Gegners auf Kosten von Fouls zu bremsen.Das ist oft nicht schön, aber die anderen Teams in der Europaliga verhalten sich auch nicht wie artige Kinder im Streichel-Zoo.

Schon gar nicht die Spieler von Real Madrid.Ihnen war die Wut anzumerken, im von den Spaniern gern so genannten "Handball-Land Deutschland" vorgeführt zu werden.In der zweiten Hälfte führte Alba zeitweise mit 26 Punkten.Zu hoch für die Nerven der Herren Santos, Iturbe oder Angulo.Sie begannen die Atmosphäre mit rüden Fouls zu vergiften.Garris - und das spricht nicht für ihn - stand dicht vor einer Box-Einlage mit Sergio Luyk und damit ebenso dicht vor einer folgenschweren Disqualifikation.Svetislav Pesic war außer sich.Aber nur in dieser Szene."Real war die einzige große europäische Mannschaft, gegen die wir noch nicht gewonnen hatten", frohlockte er später, "das ist wie eine zusätzliche Trophäe." Ob es bald eine Revanche geben kann, wird sich nächste Woche erweisen.Verliert Zadar in Madrid, bleibt ein deutsches Team in der Europaliga; gewinnt Zadar, muß auch Alba in Villeurbanne siegen, um den Abstieg zu vermeiden.Und wenn die Klasse gehalten wird, muß Alba Berlin schließlich noch Deutscher Meister werden.Wie gesagt: Gewonnen ist nichts.Aber das Selbstvertrauen hat einen weiteren Schub bekommen.Und das kann entscheidend sein, wenn die "big points" vergeben werden.Das war beim Spiel in Zadar, gegen Real und bei der Pokalendrunde in Frankfurt der Fall.Diese "big points" gingen alle an Alba Berlin.

DIETMAR WENCK

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