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Sport: Aufschlag des Herrn

Wie aus dem Tennisrüpel Andrea Jaeger eine Nonne wurde

Hamburg - Auf dem Tennisplatz hat Andrea Jaeger gerne provoziert. Als die US-Amerikanerin noch nicht einmal volljährig war, brachte sie selbst Gegnerinnen wie Martina Navratilova oder Chris Evert in Rage und nervte Schiedsrichter wie Zuschauer gleichermaßen. Sie erfand das nervtötende Stöhnen bei jedem Schlag und war damit Vorreiterin der „psychologischen Kriegsführung“. Doch aus dem Tennisflegel, der 1980 mit 14 Jahren und 8 Monaten sein erstes Profiturnier gewann, ist längst „Schwester Andrea“ geworden – eine treue Helferin krebskranker Kinder.

„Schon damals wusste ich, dass Gott etwas anderes mit mir vor hatte, als die Nummer eins im Tennis zu werden“, sagt die heute 41-Jährige. „Meine Eltern hatten nicht einmal eine Bibel. Aber ich wusste immer: Gott hat einen Plan mit mir.“ Vor gut einem Vierteljahr wurde sie zur Nonne der anglikanisch-dominikanischen Kirche geweiht. Seit Jahren kümmert sie sich in einer Kinderklinik in Cincinnati um die kleinen Patienten auf der Krebsstation. „Ich bereue nichts, ich liebe das, was ich tue“, sagt sie. An das freche Mädchen mit der Zahnspange, den langen Zöpfen und dem weißen Stirnband erinnern nur noch alte Schwarzweißbilder aus Wimbledon, Flushing Meadows oder Roland Garros. In Wimbledon stand sie 1983 im Finale Martina Navratilova gegenüber, die der damals 18-Jährigen mit 0:6, 3:6 eine bittere Niederlage verpasste. Alles Zetern, Pöbeln und Reklamieren nutzte nichts: Ein Grand-Slam-Titel blieb ihr hier wie schon im Jahr zuvor in Paris gegen dieselbe Gegnerin versagt.

Angetrieben von ihrem Vater, einem Schweizer, der mit seiner deutschen Frau 1956 nach Chicago ausgewandert war, wurde Andrea Jaeger 1980 Tennisprofi. Sie hatte schnell Erfolg und war zwei Jahre lang die Nummer zwei der Weltrangliste. Doch ihr kraftvolles Spiel forderte bald seinen Tribut. Vor allem der Rücken und die Schulter schmerzten. Als sie sich 1985 wieder schwer an der rechten Schulter verletzte, war die Karriere faktisch zu Ende. Sieben Operationen später vollzog sie 1987 den endgültigen Rücktritt. Andrea Jaeger studierte Theologie und gründete nach dem Krebstod eines nahe stehenden Menschen die „Little Star Foundation“. Zum Startkapital der Stiftung, die jährlich bis zu 8000 kranken Kindern hilft, wurden die 1,4 Millionen Dollar, die sie an Preisgeld kassiert hatte. Zu den Förderern zählen Andre Agassi, John McEnroe und Pete Sampras, aber auch Cindy Crawford und Kevin Costner.

„Ich weiß, dass dies das ist, was ich immer tun wollte“, sagt Schwester Andrea. Erst als Andrea Jaeger den Schläger endgültig aus der Hand gelegt hatte, wurde klar, wer sie wirklich war. Und dass ihr flegelhaftes Auftreten auch eine Art Schutz vor der Konkurrenz und Ausdruck der Überforderung durch den ehrgeizigen Vater war. Inzwischen sagt sie über das Karriereende: „Als ich nicht mehr spielen konnte, war das für mich der absolute Frieden.“ dpa

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