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Sport: Aufsichtsrat ist noch nicht über den Berg

BERLIN .Alles gewagt, nichts gewonnen.

Von Karsten Doneck, dpa

BERLIN .Alles gewagt, nichts gewonnen.Manfred Zemaitat plante den großen Befreiungsschlag.Eine außerordentliche Mitgliederversammlung wollte der Präsident von Hertha BSC für den 1.Oktober einberufen, um dort den neunköpfigen Aufsichtsrat geschlossen abwählen zu lassen.Die Sache hatte nur einen Haken: Im entscheidenden Moment verweigerten ihm Dieter Hoeneß und Jörg Thomas, die beiden anderen Präsidiumsmitglieder, die Gefolgschaft.Zemaitat zog die Konsequenzen: Er quittierte den Dienst.Hertha benötigt nun einen neuen Präsidenten."Das ist laut Satzung Sache des Aufsichtsrates", verweist Manager Hoeneß auf die Kompetenzverteilung bei Hertha.Robert Schwan, der Aufsichtsratsvorsitzende, soll angeblich schon seit längerem Ausschau nach einem geeigneten Kandidaten halten.Und ihn gefunden haben.Nur den Namen will er partout nicht preisgeben vor dem 3.Oktober - jenem Tag, an dem der Aufsichtsrat das nächste Mal tagt.Bundeswirtschaftsminister Günther Rexrodt erklärte seinerseits inzwischen in einem Radiointerview, daß er für die Amtsübernahme bei dem Berliner Fußball-Bundesligisten nicht zur Verfügung stehe.

Herthas Aufsichtsrat ist aber mit Zemaitats Demission noch längst nicht "über den Berg".Für die turnusmäßig zwischen Mitte bis Ende November stattfindende Mitgliederversammlung liegen noch insgesamt 15 (!) Anträge vor, das Gremium oder einzelne Personen daraus abzuwählen.

Zemaitats Rücktritt löste bei Hertha nicht unbedingt Bestürzung aus."Unter Berücksichtigung der Ereignisse, die sich hätten ergeben können, war das Auseinandergehen, gerade auch in dieser Art und Weise, das Beste für den Verein", lautet die einzige Stellungnahme, zu der sich Hoeneß bewegen läßt.Über Hintergründe wird hartnäckig geschwiegen."Ich will jetzt keine schmutzige Wäsche waschen", betont Zemaitat.Der Mann, der die Geschicke des Vereins fast auf den Tag genau vier Jahre lang gelenkt hat, hatte zuvor eine bittere Niederlage einstecken müssen.Noch am Montag hatte das dreiköpfige Präsidium mit 2:1-Stimmen den "Putschversuch" Zemaitats abgesegnet.Tags darauf vollzog ausgerechnet Jörg Thomas, der bisher treu zum Präsidenten stand, einen Sinneswandel.Offenbar hat Hoeneß, bei Hertha als Krisenmanager hinlänglich bewährt, Jörg Thomas von dem "Revoluzzer-Vorhaben" abgebracht, den gesamten Aufsichtsrat stürzen zu wollen.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt wird Zemaitat begriffen haben, wie weit er sich im Verein ins Abseits manövriert hat.Aus der in der Öffentlichkeit ausgetragenen Dauerfehde mit Robert Schwan über Satzungsverstöße und Kompetenzüberschreitungen des Aufsichtsratsvorsitzenden ging der Präsident als einsamer Verlierer hervor.Mit seinem Rücktritt kam er freilich auch seiner wahrscheinlichen Abwahl zuvor.Am 3.Oktober, dem Tag der Aufsichtsratssitzung, hätte Schwan wohl ohnehin "seinen" Kandidaten präsentiert.Und Schwans Stimme in diesem Entscheidungsgremium hat derart Gewicht, daß er den Mann seiner Wahl auch gegen Zemaitat durchgedrückt hätte.

Der oft zu unüberlegter Handlungsweise neigende Schwan ist im Verein umstritten, gilt aber als "unablösbar", solange die Ufa bei Hertha die Hände im Spiel hat.Der Medienkonzern hatte bereits erheblich Einfluß genommen, um den 76jährigen an der Spitze des Aufsichtsrates zu etablieren.Mehrfach drohte die Ufa in der Vergangenheit damit, Hertha den Geldhahn zuzudrehen, falls die Vereinsmitglieder Schwan aus dem Amt jagen würden.

Derzeit läßt Hertha juristisch prüfen, ob ein auf zwei Köpfe geschrumpftes Präsidium nach der Hertha-Satzung überhaupt noch handlungsfähig ist.Notfalls soll für eine Übergangszeit bis zum 3.Oktober kommissarisch ein Präsident eingesetzt werden.Ehe die rechtliche Seite nicht vollends geklärt ist, mag Hoeneß sich nicht dazu äußern, wer gegebenenfalls als Interimspräsident einspringen würde.

Dem Manager wäre es ohnehin lieb, wenn bei allem Theater in der Führungsetage nicht ganz in Vergessenheit geraten würde, daß bei Hertha BSC auch noch Bundesligafußball gespielt wird.Zum Beispiel morgen (20 Uhr, Olympiastadion) gegen Aufsteiger Eintracht Frankfurt.

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