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Londons postolympische Baustelle. Vor ein paar Monaten feierten hier noch die Massen.

© Jürgen Löhle

Aufstieg durch Abriss: Londons Olympiapark öffnet wieder

Londons Olympiapark öffnet wieder seine Tore – aber nur zur Besichtigung einer Riesen-Baustelle. Ein Rundgang durch die Ruine.

Der Wind pfeift kalt aus Ost, Staub wirbelt auf, Papierfetzen flattern vorbei und bleiben in den Maschen des mannshohen Zauns hängen. Der Frühling ist auch in London alles andere als gemütlich. Aber die Menschen hier sind das offenbar gewohnt, manche tragen an diesem grauen Apriltag trotzig Shorts und Flip-Flops – bei zwei Grad über null. Dazu weiße Helme und quietschgelbe Signalwesten. Treffpunkt in Stratford, am Südeingang zum Olympiagelände. Eigentlich ist der Park seit dem Ende der Paralympics im Herbst 2012 geschlossen, aber seit Anfang April darf, wer will und 15 Pfund (knapp 18 Euro) übrig hat, am Wochenende zu einer begleiteten Tour auf das Gelände in Londons Osten. Dorthin, wo im vergangenen Sommer stimmungsvolle Olympische Spiele gefeiert wurden.

Jetzt gleicht das Feiergelände der Jugend der Welt einer mit Zäunen abgeriegelten Geisterstadt. Bagger krabbeln über leere Wege, es wird heftig abgerissen und demontiert. Zwischen offen liegendem Kabelgewirr stapelt sich Schutt, bräunliches Wasser schimmert schmutzig in riesigen Pfützen, rostige Container stehen kreuz und quer, wo mal das Hockeystadion war. Ziemlich trist das Ganze, da ändert auch der Blick von der 80 Meter hohen Aussichtskanzel des berühmten Orbit Towers nicht viel, auf die die behelmten Besucher geführt werden. Die gigantische Stahlskulptur ist so ziemlich das einzig Unversehrte hier. Und von oben sieht man die olympischen Wunden gnadenlos. Die Seitenwände der Schwimmhalle hat man einfach abgerissen, die gewaltigen Tribünen demontiert. Das Wasserballbecken – weg, wie das Hockeystadion und die Basketballhalle. Der Platz, auf dem während der Spiele Hamburger gegrillt, Brause ausgeschenkt und Souvenirs verkauft wurden, liegt traurig und brach da. Das gewaltige Medienzentrum steht nun als Solitär in einem ausgebeinten Gelände. Das Ganze soll in den kommenden 20 Jahren zu einem Gewerbezentrum mit 8000 neuen Arbeitsplätzen aufgepeppt werden.

Man braucht schon viel Fantasie, um sich die rosige Zukunft vorstellen zu können, die hier versprochen wird. Aus dem 360 Fußballfelder großen Park soll eine bunte Freizeitlandschaft werden. Damit will London die Forderung des Internationalen Olympischen Komitees nach einer nachhaltigen Nutzung der Anlagen genauso vorbildlich umsetzen, wie es die Spiele organisiert hat. Für den künftigen Queen Elizabeth Olympic Park wird die Stadt etwa 350 Millionen Euro in die Hand nehmen. Im Moment ist aber noch das große Ausdünnen angesagt, der Park bekommt doppelt so viel Freifläche wie während der Spiele. Geplant sind eine Million neue Pflanzen, über 500 Vogelhäuschen und sogar an die Fledermäuse ist gedacht, für die man 150 spezielle Kästen aufstellen will.

Ein ambitionierter Plan – und wenn man das Gelände in diesen Tagen sieht, nur schwer zu glauben. Aber die großen organisatorischen Baustellen sind bereits geschlossen. Seit dem 20. März ist es offiziell: Der Fußballklub West Ham United wird von der Saison 2016/17 an seine Premier-League-Spiele in der Arena austragen und die Anlage übernehmen. Dazu werden 20 000 der 80 000 Plätze abgebaut und Tribünen an den Stirnseiten des Platzes installiert. Allerdings mobile, im Stadion soll auch weiter Leichtathletik stattfinden. Fix ist bereits die Weltmeisterschaft 2017. Auch die Zukunft des Schwimmstadions ist geklärt. Die offenen Tribünenseiten werden verglast, das Bad wird künftig ein öffentliches. Besonders stolz ist man in London auf die künftige Nutzung der Anlagen des Insel-Boomsports Radfahren. Das Velodrom, in dem Englands Bahnfahrer sieben Goldmedaillen holten, bleibt erhalten. Die BMX-Strecke wird um einen Mountainbike-Track und einen Rennrad-Rundkurs zum „Lee Valley Velo Park“ erweitert.

„Wart ihr bei den Spielen hier?“, ruft der Guide den Besuchern auf der zugigen Terrasse des Orbit Towers zu. Viele brüllen ein energisches „Yes!“ in den eisigen Wind. „Und wollt ihr wiederkommen, wenn das alles hier fertig ist?“ Wieder ein „Yes!“, wobei man sich wirklich kaum vorstellen kann, dass ein Teil des Parks bereits am 26. Juli dieses Jahres zum Diamond League Meeting der Leichtathleten eröffnet werden soll. Im Frühjahr 2014 wird der Park komplett fertig sein. So der Plan. Darauf zu wetten scheint angesichts der Baustelle riskant, aber man hat den Londonern ein paar Monate vor den Spielen auch kaum zugetraut, das Chaos von Stratford zu ordnen. Aber sie haben es geschafft.

Was noch spannend bleibt, ist die Zukunft des ehemaligen Olympischen Dorfs. Die für 1,3 Milliarden Euro gebauten gut 2800 Appartements waren als Wohnraum für Londons Osten gedacht. Das Problem ist nur, dass die Gegend bisher nicht als besonders schick gilt. Es wohnen also eher keine Großverdiener hier, die Wohnungen sind aber teuer. Doch auch hier ist eine Lösung in Sicht. Es werden noch einmal 6000 Wohnungen gebaut und rund um den Park neue Stadtteile gegründet, sie heißen Chobham Manor, East Wick, Sweetwater, Pudding Mill und Marshgate Wharf. Von dort ist es dann auch nicht weit bis zum Queen Elizabeth Olympic Park.

Jürgen Löhle

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