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Sport: Auftritt der zweiten Wahl

Bei der Eishockey-WM spielt Deutschland mit einer B-Mannschaft, weil sich einige Stars verweigern

Berlin - Sven Felski hat sich doch enorm gewundert. „So etwas ist mir noch nicht passiert“, sagt der Stürmer von den Eisbären. „Früher wusste ich, wie meine Mitspieler aussehen.“ Der 32 Jahre alte Berliner gehört seit Jahren zum Inventar der Eishockey-Nationalmannschaft, doch bei der Vorbereitung zur Weltmeisterschaft hat er schon mal einen seiner jungen Kollegen nicht erkannt. Felski wird nach Lage der Dinge als dienstältester Spieler das Nationalteam sogar als Mannschaftskapitän bei der heute mit dem Spiel USA gegen Österreich beginnenden WM in Russland anführen.

Es ist ein deutsches junges Team, das am Samstag im ersten Vorrundenspiel gegen Rekordweltmeister Kanada (14.30 Uhr, live in der ARD) seinen ersten Auftritt hat. Die Slowakei ist am Montag zweiter, die Norweger sind am Mittwoch dritter deutscher Gegner in der Moskauer Vorstadt Mytischtschi. Da die ersten drei Teams die Zwischenrunde erreichen, würde wohl schon ein Erfolg gegen die biederen Norweger reichen, um weiterzukommen. Doch das ist für die Deutschen nicht selbstverständlich. Nach dem Absturz in die B-Gruppe und dem Aufstieg im Vorjahr in Frankreich geht es für sie vor allem um den Klassenerhalt – um der muss notfalls, sollte die Zwischenrunde verpasst werden, in der Abstiegsrunde erreicht werden.

Ein erneuter Absturz des Nationalteams wäre eine Peinlichkeit für das deutsche Eishockey, das mit der DEL eine boomende Liga hat, die sich damit rühmt, die modernsten und größten Arenen Europas und die meisten Zuschauer auf dem Kontinent zu haben. Das aber nütze ihm als Bundestrainer nichts, sagt Uwe Krupp. „Die DEL ist eine Superliga für Ausländer, aber dem deutschen Eishockey hilft das nicht“, sagt Krupp. „Ich möchte von den Vereinen ehrlich gesagt bekommen: Unsere Agenda ist, dass die Stadien voll sind, und es ist uns egal, ob die Nationalmannschaft in der A-, B- oder C-Gruppe spielt.“

Der Bundestrainer fordert eine drastische Reduzierung der Ausländerstellen in der DEL; zurzeit dürfen maximal elf pro Team eingesetzt werden. Damit allein ist es aber kaum getan, momentan betreiben zu wenige Klubs in Deutschland ernsthaft Nachwuchsarbeit oder sie setzen ihre deutschen Talente in der DEL nicht ein: Von den drei in Moskau aufgebotenen Torhütern Oliver Jonas (Köln), Dimitrij Kotschnew (Iserlohn) und Youri Ziffzer (Eisbären) ist nur der Berliner Stammtorwart in seinem Klub.

Dass Sven Felski, unbestritten ein guter Spieler, nun in Moskau als einer der wenigen erfahrenen Profis im Team Führungsqualitäten zeigen muss, hat einen einfachen Grund: In Russland läuft eine deutsche B-Mannschaft auf. Es ließe sich mühelos ein Team mit fehlenden deutschen Spielern aufstellen, das das WM-Team mühelos schlagen müsste: Alle zehn in Nordamerika beschäftigten Deutschen sind nicht in Russland, darunter fallen vor allem die sieben Profis aus der National Hockey League (NHL), vier von ihnen spielen in den Play-offs, die anderen drei können oder wollen nicht für ihr Heimatland spielen. „Es steht außer Frage, dass wir besser sind, wenn wir NHL-Personal dabei hätten“, sagt Krupp. „Das ist schade.“

Ohne NHL-Profis wiegt es noch schwerer, dass dem Bundestrainer der beste deutsche Verteidiger Sascha Goc (Hannover) oder Torwart Robert Müller (Mannheim) aus gesundheitlichen Gründen fehlen. Die Deutschen müssen angesichts dieser Voraussetzungen hoffen, wenigstens eine angenehme Nebenrolle spielen zu dürfen. „Jung, eingespielt und motiviert“ sei seine Mannschaft, sagt Krupp. „An der Moral ist nichts auszusetzen.“

Um den Titel spielen neben Weltmeister Schweden die üblichen Verdächtigen: Kanada, Tschechien, Finnland, vielleicht noch die USA und die Slowakei – Teams eben, in deren Ländern Eishockey Volkssport ist. In Russland ist Eishockey auch populär, aber der frühere Glanz ist längst dahin. Seit 14 Jahren haben die eishockeyverrückten Russen mit ihrer Nationalmannschaft keinen Titel mehr geholt. Auch diesmal sind sie Außenseiter.

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