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Sport: Aus der Fassung

Werder Bremen ist die Mentalität des Siegens abhanden gekommen

Nach dem Abpfiff herrschte Ratlosigkeit im Weserstadion. Werder Bremens Kapitän Frank Baumann schüttelte enttäuscht den Kopf, sein Kollege Valerien Ismael klatschte zaghaft in die Hände, und auch die Zuschauer blickten sich fragend an, unsicher ob sie nun zum Feiern in die umliegenden Kneipen oder enttäuscht nach Hause ziehen sollten. Auf den Anzeigetafeln des Stadions stand das Endergebnis: Werder Bremen – Inter Mailand 1:1. Aber das waren bloße Zahlen ohne Aussagekraft; wertlos, ohne das Resultat des zweiten Spiels der Champions-League-Gruppe G zwischen Anderlecht und Valencia zu kennen. Erst als die Spieler in der Kabine waren, erfuhren die verbliebenen Fans über die Stadionlautsprecher vom 2:1 der Spanier in Brüssel.

Werder hat das Achtelfinale also noch nicht erreicht. Stattdessen wird das letzte Gruppenspiel in zwei Wochen zu einer Art Endspiel. Weil nach den Uefa-Regeln bei Punktgleichheit der direkte Vergleich der Tordifferenz vorgeht, müssen die Bremer ihr 2:1 aus dem Hinspiel in Valencia verteidigen. Mit einem Sieg oder Unentschieden, sogar mit einer knappen Niederlage wäre Werder weiter, doch ein 0:1 oder eine Niederlage mit zwei Toren Unterschied würden das Aus bedeuten, eine Situation, die am späten Mittwochabend unterschiedliche Gefühle auslöste: Zufriedenheit, mit den in dieser Saison ungeschlagenen Mailändern mitgehalten zu haben. Ärger über die verspielte 1:0-Führung, die Valerien Ismael per Elfmeter erzielt hatte. Und Angst, dass neben dem bislang dürftigen achten Platz in der Bundesliga das Jahr auch in der Champions League trotz ordentlicher Leistungen mit einer Enttäuschung enden könnte.

„Es hat sich nichts geändert. Wir haben noch immer selbst alles in der Hand“, sagte Trainer Thomas Schaaf. Und Sportdirektor Klaus Allofs erinnerte daran, dass Werder als Außenseiter in den Wettbewerb gegangen war: „In einer Gruppe mit Valencia und Inter Mailand ist es ganz normal, dass die Entscheidung erst am letzten Spieltag fällt.“ Doch auch Allofs hätte es lieber gesehen, wenn die Mannschaft gegen Mailand „alles klar gemacht“ hätte.

Irgendwie überwogen dann eben doch die negativen Gefühle. „Natürlich sind wir frustriert“, sagte Valerien Ismael. „Da hast du zehn Punkte, eine gute Tordifferenz und bist trotzdem noch nicht weiter.“ Der Abwehrspieler war, einen dicken Wollschal um den Hals geknotet, noch einmal aus der Kabine in die Kälte des Stadions getreten und suchte nach einer Erklärung für die derzeitige Erfolglosigkeit der Mannschaft. „Uns fehlen die kleinen Dinge, die im letzten Jahr unsere Stärke waren“, sagte der Franzose. Damit meinte er die fehlende Konzentration und die Abwehrschwäche – auch beim Ausgleich der Italiener durch Martins wirkte die Bremer Verteidigung konfus. Vor allem aber vermisste Ismael den Willen der Mannschaft, das Spiel unbedingt zu gewinnen: „Wir müssen zu einer Siegermentalität zurückfinden.“

Ausgerechnet in der Bundesliga muss die Mannschaft sich nun ihr Selbstvertrauen zurückholen. Aber manchmal hilft ja schon die Erkenntnis, dass es anderen noch viel schlechter geht. Insofern müsste der nächste Gegner den Bremern gelegen kommen. Am Samstag ist Borussia Dortmund im Weserstadion zu Gast.

Steffen Hudemann[Bremen]

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