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Sport: Aus der Höhe gefallen

Der 400-m-Läufer Ingo Schultz sucht vergeblich seine Form

Von Frank Bachner

Paris. Ingo Schultz erzählte mal, dass er nach einer extrem harten Trainingseinheit einen Laktatwert von 26 Millimol hatte. Dann fügte er locker hinzu: „Es gibt Menschen, die sterben bei 20 Millimol.“ 26? Falsch, sagt Jürgen Krempin und korrigiert mit vergnügtem Blick. „Genau 27,8. Aber so viel braucht man auch, um in der absoluten Weltspitze mitlaufen zu können.“ Das Problem ist nur, dass 400-m-Vizeweltmeister Schultz momentan nicht in der absoluten Weltspitze mitläuft. Nicht mal das WM-Finale hat er erreicht. Jürgen Kempin blickt bei diesem Stichwort nicht mehr vergnügt, es ist nämlich auch sein Problem. Er ist der Trainer von Schultz.

Woran es lag? „Eine Rolle spielte, dass Ingo im Höhentrainingslager drei Tage krank war und wir nicht spezielle Ausdauer trainieren konnten“, sagt Krempin. Schultz war zum ersten Mal in seiner steilen Karriere in der Höhe, in St. Moritz, und er wird wohl nie mehr in die Höhe gehen. „Ich bin möglicherweise nicht zum richtigen Zeitpunkt ins Flachland zurückgekommen“, sagt er.

Schultz sitzt im Deutschen Haus vor einer Plakatwand mit den Sponsoren des Deutschen-Leichtathletik-Verbandes, und er sieht so aus , wie er sich fühlt: ratlos. Er kann diesen Platz sieben im Halbfinale von Paris nicht erklären. Gut, die Sache mit der Höhe und der Krankheit, und die möglicherweise falsche Rückkehr, das wäre eine Begründung. Aber er fühlte sich doch fit, er spürte keinen Druck von den Medien oder vom Verband. Schultz hatte sich sogar 44,6 Sekunden zugetraut. Mit 44,66 Sekunden lief er bei der WM 2001 in Edmonton im Halbfinale durchs Ziel. Es war eine Spitzenzeit, und Schultz hat sie seither nie mehr erreicht. Schultz sagt: „Eigentlich war alles so wie vor Edmonton.“

Manches ist indes anders geworden. Schultz ist jetzt eine Medienfigur, die Anfragen häufen sich, und manchmal, sagt er, „kommt man bei dem Medieninteresse auch an eine Grenze“. „Die meisten Anfragen lehnen wir sowieso ab“, sagt Krempin. Und natürlich wird auf Schultz Druck ausgeübt, von den Medien, von den Funktionären. Wie er damit umgeht, ist eine andere Sache. „Ich habe nicht viel Zeitung gelesen“, sagt er. „Der Ingo geht in den Startblock und hat alles andere vergessen“, sagt Krempin.

Aber Schultz ist längst nicht mehr der unbekümmerte Neuling, der die Szene aufmischt. Und dann bestätigte Cheftrainer Bernd Schubert im Frühstücksfernsehen auch noch „private Probleme von Ingo“. Dazu Schultz: „Keine Ahnung, was Bernd Schubert damit meint.“ Ob ihn die ganzen Änderungen beeinflusst haben, das kann letztlich nur Schultz selber sagen.

„Ich werde das 400-m-Finale auf der Tribüne verfolgen", sagt er. In diesem Moment kippt die Sponsorenwand nach einem Windstoß um und Schultz auf den Kopf. Aber das war für den Athleten das kleinere Problem.

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