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Sport: Aus der launischen Diva wurde ein ganzer Kerl

Horst Ehrmanntraut nährt in Frankfurt wieder Hoffnungen auf den AufstiegVON HARTMUT SCHERZER FRANKFURT.Die Eintracht von gestern und die Eintracht von heute - "dazwischen liegen Welten", sagt Horst Ehrmanntraut.

Horst Ehrmanntraut nährt in Frankfurt wieder Hoffnungen auf den AufstiegVON HARTMUT SCHERZER FRANKFURT.Die Eintracht von gestern und die Eintracht von heute - "dazwischen liegen Welten", sagt Horst Ehrmanntraut.Es würde eine eigene Pressekonferenz erfordern, so Ehrmanntraut, die Unterschiede aufzuzählen.Nur soviel: "Heute steht eine Einheit auf dem Platz." Die "Einheit Frankfurt" steht seit Sonntag auch an der Tabellenspitze der Zweiten Fußball-Bundesliga, was nach drei Siegen und drei Spieltagen noch nicht viel besagen will.Aber immerhin: Der auffällige Gemeinschaftssinn der neuen Mannschaft macht (Aufstiegs-) Hoffnung.Die launische Diva scheint sich endlich in einen ganzen Kerl verwandelt zu haben. Die wundersame Verwandlung ist das Werk Horst Ehrmanntrauts (41), der mit konsequenter Meppener Zweitliga-Philosophie der Eintracht Divalaunen und Stardünkel ausgetrieben hat.Der kleine Mann mit dem spitzen Gesicht und dem kahlen Kopf aus dem saarländischen Einöd, zu Jahresbeginn als Nachfolger des Schaumschlägers Dragoslav Stepanovic angetreten, um den drohenden Absturz in die Drittklassigkeit zu verhindern, kennt die lasche und launige Mainhattan-Mentalität aus eigener Erfahrung. Anfang der achtziger Jahre hatte der kleine Kämpfer, der früher auch bei Hertha BSC kickte und später Blau-Weiß 90 als Trainer unter seinen Fittichen hatte, mit all den großen Diven wie Grabowski, Hölzenbein, Nickel, Borchers, Körbel, Pezzey, Nachtweih, Cha Bum zusammen gespielt.Zum Saisonwechsel entledigte sich der Trainer aller Altlasten, schickte die Absteiger und Absahner fort oder ließ sie ziehen: Gaudino, Dickhaut, Komljenovic, Roth, Ekström, Pejovic, Rossi, Becker.Mit feinem Gespür fand er in tiefster Provinz die Charaktere, die zu seinen Vorstellungen vom "Kollektiv" - sein Lieblingswort - paßten. Wenn Cengiz (Herzlake), Epp (Waldhof), Gebhardt (Verl), Mehic (Kleinkarben) oder Zampach (Wehen) nach einem siegreichen Spiel wie dem 1:0 gegen Kickers Stuttgart sich zum "Eppelwei" im Schickeria-Biergarten "Frankfurter Haus" unweit des Waldstadions treffen, werden sie kaum erkannt oder beachtet.Das gilt auch für die anderen Neu-Frankfurter des letzten Jahres, Hubtschew, Kutschera, Janßen, Güntensperger oder die Heimkehrer Wolf und Sobotzik.Von der einstigen Bundesliga-Mannschaft, die vor 15 Monaten abstieg, ist allein Verteidiger Uwe Bindewald (29), seit zehn Jahren im Verein, übriggeblieben.Und Ralf Weber (28).Der Nationalspieler (9 Länderspiele) hatte allerdings im Abstiegs- und ersten Zweitligajahr wegen einer komplizierten Fußverletzung komplett gefehlt.Mit Weber, heißt es in Frankfurt, wäre die Eintracht erst gar nicht abgestiegen.Nach zweijähriger Pause ist Weber zurückgekehrt und nicht nur als Kapitän die Führungspersönlichkeit der Mannschaft und die Identifikationsfigur des Eintracht-Anhangs.Der Hesse aus dem benachbarten Hainstadt, seit acht Jahren im Verein, erklärt den Unterschied von einst und jetzt: "Früher standen zuviele Egoisten in der Mannschaft.Nur deswegen ist die Eintracht abgestiegen.Heute kämpft jeder für den anderen." Uwe Bindewald bestätigt es: "Diese Mannschaft hat einen guten Charakter.Es sind alles ehrliche Spieler".All die Gerüchte und Spekulationen um seine Person, Weber müßte die Eintracht verlassen, um mit ein paar Millionen die Finanznöte des sparsam gewordenen Vereins zu lindern, dementiert der schlaksige Spieler: "Ich kann meine klare Äußerung nur immer wiederholen: Von mir aus spiele ich diese Saison mit der Eintracht durch." Das neue Präsidium des beurlaubten AOK-Angestellten Rolf Heller, manchmal etwas amateurhafte, aber ungemein arbeitswillige Männer ohne die Profilneurosen ihrer fahrlässigen Skandalvorgänger vom Schlage eines Matthias Ohms, würde zum Teufel gejagt, sollte es in der Phase des hoffnungsvollen Aufschwungs Ralf Weber verkaufen. "Wir sind eine Gemeinschaft, auf und außerhalb des Platzes.Das ist unsere Stärke", sagt auch der Kölner Olaf Janßen, neben Weber Spiel- und Wortführer und Ehrmanntrauts "ordnende Hand auf dem Platz".Das Publikum hat erkannt, daß "Einheit, Kollektiv, Gemeinschaft, Zusammenhalt, Charakter" nicht nur leere Worthülsen sind.Sonst würden kaum 20 000 Zuschauer an einem heißen Sonntagnachmittag ins Waldstadion kommen, anstatt in die Badeseen zu springen.

HARTMUT SCHERZER

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