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Sport: Aus der Not einen Kult gemacht

Wie der FC Schalke 04 beim UI-Cup-Ausflug nach Moldawien zu sich selbst fand

Von Markus Hesselmann

Chisinau. Sieht man sich in Kasachstan? Dass Tobol Kostanaj in diesem Jahr im UI-Cup noch auf Schalke 04 trifft, ist nach der Niederlage der Kasachen gegen den FC Pasching wenig wahrscheinlich. Ein Thema ist das Team aus Mittelasien aber doch für die Schalker Fans. Kasachstan! Dagegen ist Moldawien ja Münsterland! Als Schalker kommt man rum dieser Tage. 100 Fans unterstützten den Fußball-Bundesligisten beim 1:0-Sieg am Wochenende bei Dacia Chisinau, dem Vierten der moldawischen Liga.

Was sind schon 1700 Kilometer Luftlinie, wenn das erste Saisonspiel nirgendwo im Fernsehen gezeigt wird? Aus Chisinau berichtet Radio Emscher Lippe exklusiv – per Handy. „Kannst du meine Frau grüßen?“, sagt ein Fan zum Radioreporter. „Sie hat mir gerade gesagt, dass sie sich scheiden lässt.“ Ein Schalker setzt Prioriäten.

In einem Charterflugzeug mit den Fans sind sie in die moldawische Hauptstadt gekommen: die Mannschaft, die Trainer, der Manager – alle im königsblauen Trainingsanzug. Ungewöhnlich für Jupp Heynckes, den sonst korrekt gekleideten neuen Coach. Real Madrid ist anders. Der Trainer des Champions-League-Siegers von 1998 sitzt im schummrigen Presseraum – speckiges Parkett, beige geblümte Tapete, Resopalschrankwand – und kommentiert das Spiel. Mit geringem Kraftaufwand habe man das hier hinter sich gebracht. Gute Eindrücke von Land und Leuten habe man gesammelt. Im Rückspiel werde man alles klarmachen.

„Es hilft ja nichts“, hatte Heynckes beim Training im Stadionul Republican tags zuvor gesagt. „Da müssen wir durch.“ An einem schwül-heißen Tag war ein fast tropischer Platzregen niedergegangen. Torwart Frank Rost griff zur Schaufel und schippte kiloweise Matsch aus dem Torraum. Der Rasen glich dem Rough auf dem Golfplatz: hohes Gras, tiefe Löcher. „Ich kenne solche Verhältnisse aus den Zeiten, als ich mit dem Fußball angefangen habe“, sagte Heynckes. Ein Mann von Welt auf dem Weg zu den Wurzeln. Der Weinliebhaber ist angekommen beim Arbeiterklub. Schon vor der Reise nach Moldawien hatte Heynckes angekündigt, man werde den „Arbeitsanzug“ anziehen. Es gilt, was gutzumachen nach einer schlechten Saison.

Auf Schalke wird noch aus jeder Not ein Kult gemacht. Der Loser-Pokal als Identitätsstifter: 60 000 Zuschauer werden in der Arena Auf Schalke zum Rückspiel am Samstag erwartet. Es ist fast wie damals, 1989, als zum Spiel gegen Blau-Weiß 90 Berlin 70 000 Zuschauer ins Parkstadion kamen, um den Nichtabstieg in die Dritte Liga zu feiern.

Und gegen wen geht es als Nächstes? Die Fans diskutieren: Santander (Spanien) oder Liberec (Tschechien) stünden an im Halbfinale. Und danach sieht man sich vielleicht doch noch in Kasachstan.

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