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Sport: Aus Erfahrung gut

Jörg Roßkopf führt ab Montag in Bremen das deutsche Tischtennis-Team bei seiner 14. WM-Teilnahme 1989 wurde Roßkopf in Dortmund Weltmeister im Doppel

Berlin - Wenn sich Jörg Roßkopf das ideale Turnier aussuchen dürfte, es wäre eine Mannschafts-Weltmeisterschaft im eigenen Land. Für Roßkopf gibt es nämlich in der Einzelsportart Tischtennis nichts Schöneres als Mannschaftsspiele auf höchstem Niveau: „Mit fünf, sechs, sieben Leuten gemeinsam zu feiern, macht einfach viel mehr Spaß, als im Einzel einen Titel zu gewinnen.“ Außerdem sagt er: „In einen Spielrausch kann man sich eigentlich nur zu Hause steigern.“

Das alles kann Jörg Roßkopf von Montag an erleben – in Bremen beginnt die Mannschafts-WM, und Jörg Roßkopf kämpft mit der deutschen Mannschaft um eine Medaille. Ein bisschen schade ist vielleicht, dass diese Meisterschaft erst jetzt kommt. Roßkopf ist inzwischen 36 Jahre alt und nicht mehr auf dem Höhepunkt seiner spielerischen Fähigkeiten. In Deutschland ist der Hesse nicht mehr der Beste, sondern die Nummer zwei hinter Timo Boll, dem Weltranglistenzweiten. Roßkopf steht in der Weltbestenliste zurzeit auf Rang 34.

Die Führungsrolle in der Mannschaft übernimmt Roßkopf dennoch. Das liegt zum einen daran, dass Boll ein eher schüchterner Mensch ist. Zum anderen aber zählt gerade in der Mannschaft die Erfahrung besonders viel, und davon hat Roßkopf mit Abstand am meisten. Die Weltmeisterschaft in Bremen ist seine 14. insgesamt. Vor allem hat Roßkopf mit seiner Leistung dazu beigetragen, Tischtennis in Deutschland voranzubringen. Als zum letzten Mal eine Tischtennis-Weltmeisterschaft in Deutschland stattfand, 1989 in Dortmund, wurde Roßkopf zusammen mit Steffen Fetzner sensationell Weltmeister im Doppel. „Wir haben damit eine komplette Sportart geweckt“, sagt er. Innerhalb eines Jahres meldeten sich 8000 Kinder und Jugendliche in Vereinen an und 1000 neue Mannschaften nahmen am Spielbetrieb teil.

Auch die besten Spieler profitierten von der neuen Popularität. „Jeder einzelne Profi in Deutschland hat nach unserem Titel mehr Geld verdient, und die Tischtennisfirmen haben ihre Umsätze steigern können“, sagt Roßkopf.

Er selbst wurde zur Symbolfigur des deutschen Tischtennis und erlebte einen Erfolg nach dem nächsten. In Stuttgart gewann er 1992 den Europameistertitel im Einzel, holte gemeinsam mit Fetzner bei den Olympischen Spielen 1992 die Silbermedaille im Doppel und 1996 bei Olympia in Atlanta die Bronzemedaille im Einzel. Während Fetzner seine Karriere in der Nationalmannschaft längst beendet hat und inzwischen Vizepräsident des Deutschen Tischtennis-Bundes ist, spielt Roßkopf immer noch. Im Tischtennis sind auch im fortgeschrittenen Alter noch große Siege möglich. „Ich glaube, dass ich der Mannschaft noch helfen kann“, sagt Roßkopf.

In den vergangenen Jahren hat er aber auch Enttäuschungen verkraften müssen. Als die deutsche Mannschaft vor zwei Jahren im WM-Finale in Katar gegen China spielte, stellten die Bundestrainer anstelle von Roßkopf den damals 18 Jahre alten Christian Süß auf. „Dieser Stachel saß sehr tief. Es war schwer für mich, als Führungsfigur damit umzugehen“, sagt Roßkopf. Und bei der Europameisterschaft im vergangenen Jahr in Aarhus musste Roßkopf ebenfalls eine neue Erfahrung machen: „Da bin ich zum ersten Mal für meine Leistung richtig kritisiert worden.“

Nach Bremen reist er jedoch ohne Selbstzweifel. Ein Jahr habe er sehr gut trainiert und keine Verletzungen gehabt. „Wir haben mit Timo Boll einen Topspieler und dahinter vier gleich gute Spieler, von denen keiner ein Problem damit hätte, auf der Bank zu sitzen“, sagt Roßkopf. Er weiß, dass er auch auf der Bank gebraucht wird. „Ich bin immer präsent und kann den Jüngeren zeigen, wo es langgeht.“ Vielleicht ja wieder ins Finale gegen Weltmeister China.

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