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Ballsicher, meistens jedenfalls. Herthas Stürmer Adrian Ramos (r.).

© AFP

Auslaufen mit Lüdecke: Ballbesitz ist das neue Ergebnis

Kabarettist Frank Lüdecke kommentiert immer montags das Geschehen in der Fußball-Bundesliga. Diesmal freut er sich über 61 Prozent Ballbesitz einer Berliner Mannschaft. Das ist Platz zwei in der Tabelle - leider in der falschen Liga.

Schade! Schade! Jedenfalls aus Berliner Sicht. Innerhalb weniger Minuten lagen sie mit zwei Toren zurück. Ungerecht, muss man sagen. Aber dann! Wer hätte das gedacht? Wie die Jungs das hinbekommen haben? Mit 61 Prozent Ballbesitz! Haben sie das Spiel noch gedreht! Chapeau! Vorläufig zweiter Platz in der Tabelle! Leider noch in der falschen Liga. Trotzdem, Glückwunsch an Union! Wenn das so weitergeht, müssen die Fans wieder neue Tribünen bauen.

Und Hertha? Bei Sky sagt die Moderatorin übrigens nie „Hertha“. Oder „Hertha BSC“. Sie sagt immer „Hertha BSC Berlin“. Das ist irgendwie doppelt, denn das „B“ steht doch schon für „Berlin“. Sagt ja auch keiner „Werder Bremen Bremen“. Na egal. Jedenfalls spielte Hertha BSC Berlin beim VfL Wolfsburg Wolfsburg. Mit einem Sieg wäre man sogar Erster geworden! Unglaublich, oder? Das wär so, als würde Wowereit sagen, morgen ist der Flughafen fertig. Leider ist der Flughafen morgen nicht fertig, wenn sie verstehen, was ich meine. Aber ein Platz im ersten Tabellendrittel ist auch aller Ehren Wert. Vor allem für Hertha BSC Berlin.

Der Berliner Kabarettist Frank Lüdecke schreibt bei uns jeden Montag über die Fußball-Bundesliga.
Der Berliner Kabarettist Frank Lüdecke schreibt bei uns jeden Montag über die Fußball-Bundesliga.

© Zeichnung: Tsp

Ein Platz im ersten Tabellendrittel ist auch aller Ehren Wert

Ich habe übrigens ganz bewusst das Ergebnis des Spiels weggelassen. Ich lasse in dieser Glosse alle Ergebnisse weg. Aus gutem Grund. Ich verfolge das nun schon lange und kann mich erinnern, früher gab es klare Kriterien für die Bewertung eines Fußballspiels. Tore zum Beispiel. Wer mehr erzielt hatte, war der Sieger. Ganz so einfach ist es heute nicht mehr. In den letzten Jahren sind die Ergebnisse etwas in Verruf geraten. Leider. Mitunter haben sie wenig Aussagekraft über den tatsächlichen Spielverlauf. Nicht selten sind die Ergebnisse sogar verfälschend. Viele Trainer haben sich schon beschwert: Das Ergebnis gibt den Spielverlauf nicht wieder! Deshalb hat man heute einen gerechteren Maßstab ausgemacht: den Ballbesitz. Hertha hatte 35 Prozent. Das wird jetzt auch immer eingeblendet. Und die Trainer fordern neuerdings auch: Ballbesitz! Ballbesitz!

Bayern München erreicht in dieser Kategorie die höchsten Werte. Die erzielen da Quoten, mit denen hat Honecker früher Volkskammerwahlen gewonnen. Gegen Freiburg hatten die Münchener 98 Prozent! Nur zweimal waren die Freiburger am Ball. Beim Anstoß und beim Ausgleich. Der neue Bayern-Trainer Pep Guardiola ist ein ganz großer Fan vom Ballbesitz. Er kauft die teuersten, ballsichersten Spieler und die schieben sich dann 90 Minuten das Spielgerät zu. Für die Statistik.

Bayern hat in vier Spielen erst sieben Tore geschossen

Trotzdem hat Bayern jetzt in vier Spielen erst sieben Tore geschossen. Wie kann das sein? Das sind zwei weniger als Hertha BSC Berlin. Und das, obwohl allein der Marktwert von Europas Fußballer des Jahres, Franck Ribèry, höher ist, als der des gesamten Hertha-Kaders? Ist der Ballbesitz möglicherweise ein genauso unzuverlässiger Geselle wie das Ergebnis? Man könnte es vermuten. Wenn man die von den Bayern praktizierte Kunstfertigkeit betrachtet: Viel Ballbesitz = wenig Tore. Aber diese Regel geht so auch nicht immer auf. Ein gutes Gegenbeispiel ist da Eintracht Braunschweig. Denen gelingt es auch, mit wenig Ballbesitz keine Tore zu schießen.

Frank Lüdecke

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