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Die Kanzlerin versprach eine Lösung noch innerhalb dieser Legislaturperiode...

© AFP

Auslaufen mit Lüdecke: Kießling Phantomtor - ein Fall für den Sicherheitsrat

Kabarettist Frank Lüdecke kommentiert immer montags das Geschehen in der Fußball-Bundesliga. Und wer kommt da heute an dem Phantomtor von Stefan Kießling vorbei? Nicht mal Angela Merkel.

Am letzten Freitag, gegen 21.55 Uhr, köpfte der Leverkusener Spieler Stefan K. (Name der Redaktion bekannt) einen Ball neben das Hoffenheimer Gehäuse. Zur Verblüffung aller Beteiligten entschied der Unparteiische auf „Tor“ und löste damit eine schwerwiegende Kettenreaktion aus.

Bereits um 22.03 Uhr wurden in Berlin die Koalitionsverhandlungen unterbrochen. Die Arbeitsgruppe „Soziale Gerechtigkeit im Profifußball“ forderte in einem Eilantrag, dass Phantomtore nicht mehr zeitgemäß und deshalb zu annullieren seien. Der Interessenverband „Philosophie und Spitzensport“ warnte dagegen in einer ersten Stellungnahme vor voreiligen Schlüssen. Es sei nicht eindeutig geklärt, wann im eigentlichen Sinne von einem „Tor“ zu sprechen sei. Unbestritten sei nur, dass das Runde und das Eckige in einem bestimmten Abhängigkeitsverhältnis zueinander stünden. Die Fifa reagierte empört und drohte mit Ausschluss Deutschlands von der Weltmeisterschaft. Die Uno forderte den Deutschen Fußball-Bund auf, Inspektoren den Zutritt zum Sinsheimer Stadion zu gewähren. Der Platzwart der TSG Hoffenheim räumte ein, dass irgendetwas mit dem verdammten Netz nicht stimmte. Aufgebrachte Zuschauer forderten in sozialen Netzwerken ein Wiederholungsspiel. Der Entscheidung sei nicht rechtmäßig gewesen, hieß es. Das allerdings war eine schwache Begründung. Denn es gibt in unserer Gesellschaft viele Entscheidungen, die nicht rechtmäßig zustande kommen, und trotzdem werden sie nicht zurückgenommen. Da dies eine Sportkolumne ist, muss ich die politischen Belege schuldig bleiben. Aber ich beteuere, es gibt sie.

Der Berliner Kabarettist Frank Lüdecke schreibt bei uns jeden Montag über die Fußball-Bundesliga.
Der Berliner Kabarettist Frank Lüdecke schreibt bei uns jeden Montag über die Fußball-Bundesliga.

© Zeichnung: Tsp

Tragisch ist die Rolle des Schiedsrichters: Er darf den Videobeweis nicht nutzen. Das bleibt bislang den Zuschauern eines TV-Bezahlsenders vorbehalten. Auch viele Stadionbesucher konnten sich mit ihren Smartphones in russische Livestreams einloggen und waren über den tatsächlichen Vorgang quasi in Echtzeit im Bilde. Der einzige, der keine Ahnung hatte, war der Schiedsrichter. So blieb ihm nichts anderes übrig, als aufgebracht über den Platz zu laufen, auf der Suche nach Zeugen des Tathergangs. Doch keiner der Spieler konnte zweckdienliche Hinweise geben. Besonders die Leverkusener beklagten plötzlich eine kollektive Wahrnehmungsstörung. Keiner konnte sagen, ob der Ball im Tor war oder nicht. Manche Leverkusener waren sogar unsicher, in welcher Sportart sie eigentlich antraten.

Bei den Hoffenheimer Spielern lagen die Dinge anders. Sie hatten zwar gesehen, was sich ereignet hatte. Aber ihre rhetorischen Fähigkeiten reichten nicht aus, das Geschehene in verständlicher Art und Weise in Worte zu kleiden. So entstand die kuriose Situation, dass die rechtmäßige Entscheidung von der Person getroffen werden musste, die den geringsten Kenntnisstand der Sachlage hatte. Aber auch das ist ein Phänomen, das aufmerksamen Zeitgenossen nicht unbekannt sein dürfte.

Der Uno-Sicherheitsrat will sich des Falles übernächster Woche annehmen. Die Kanzlerin versprach eine Lösung noch innerhalb dieser Legislaturperiode.

Der Berliner Kabarettist Frank Lüdecke schreibt hier jeden Montag über die Fußball-Bundesliga.

Frank Lüdecke

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