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Nürnberg Trainer Gertjan Verbeek darf sich endlich wieder rasieren.

© dpa

Auslaufen mit Lüdecke: Körperpflege als Psychoterror

Der 1. FC Nürnberg hat endlich seinen ersten Saisonsieg gefeiert. Da hat die mentale Taktik vom Trainer Gertjan Verbeek gut funktioniert. Trotzdem befürchtet unser Kolumnist, dass dieser Aberglaube unter Trainern zum Trend wird.

Was für ein Auftakt der Rückrunde! Die Mannschaften aus den unteren Regionen geben sich noch lange nicht geschlagen. Nürnberg, Freiburg, aber vor allem der 1. FC Nürnberg! Gratulation! Endlich haben sie ein Spiel gewonnen! Das erste in dieser Saison! Was haben sie nicht alles versucht, um diesen Erfolg zu ermöglichen. Gespräche mit Spielern, die Entlassung ihres Vorgesetzten. Allein, es nutzte alles nichts. Dann allerdings erhöhte der neue Trainer Verbeek den Druck auf seine Spieler. Er wolle sich erst wieder rasieren, erklärte der Holländer, wenn seine Mannschaft ein Spiel gewonnen habe. Das war ein tiefer Griff in das Arsenal der psychologischen Drohgebärden. Und er zeigte Wirkung. Offensichtlich war es den Nürnberger Spielern extrem peinlich, dass ihr neuer Vorgesetzter allmählich aussah wie ein Bergschrat aus dem Riesengebirge. Noch zwei, drei weitere Niederlagen und ihr Trainer hätte möglicherweise gar keinen Zutritt mehr erhalten zu öffentlichen Einrichtungen. Oder dem Trainingsgelände. Das konnten und wollten die gut verdienenden Profisportler nicht verantworten. Und gewannen sicherheitshalber deutlich 4:0 gegen Hoffenheim.

Trotzdem bleibt hier ein bitterer Beigeschmack. Man erkennt, wie hart das Fußballgeschäft ist. Für den Erfolg greifen die Trainer bisweilen zu drastischen Maßnahmen, ohne sich selbst zu schonen. Und das nur, um das Letzte aus ihren Spielern herauszuholen. Die Trainerlegende Udo Lattek hatte einmal als Verantwortlicher in Köln immer denselben blauen Pullover getragen, weil das Team gewann, solange er ihn anhatte. Das ging aber eher in Richtung Aberglaube. Denn die Mannschaft war ja siegreich. Insofern war der geruchsintensive Pullover als Motivationsschub eigentlich kontraproduktiv. Denn da fehlt das Belohnungsmoment.

Wenn man sich nun die Tabelle anschaut, so versteht man schnell: Diese Saison wird extrem hart. Fast die Hälfte der Mannschaften kann noch in den Abstiegskampf verwickelt werden. Was steht uns da also bevor? Zu welchen Mitteln werden die Trainer in ihrer Verzweiflung noch greifen? Wird Torsten Lieberknecht (Braunschweig) seinen Spielern androhen, Teile seiner Bekleidung nicht zu wechseln? Und wenn ja, welche? Wird Christian Streich (Freiburg) die Körperpflege einstellen? Wann werden sich die ersten Bundesligatrainer unrasiert und mit ungewaschenen Pullovern an Torpfosten ketten, um die Laufbereitschaft ihrer Spieler zu erhöhen? Wohin wird das alles noch führen?

Ein abschließendes Wort noch zu Hertha. Die Berliner wussten zum Auftakt der Rückrunde auch zu überraschen. Elfmeter hin oder her, sie spielten erstmals richtig schlecht. Na und? Was Hertha angeht, bleibe ich völlig gelassen. Ich bin mir ziemlich sicher: Trainer Luhukay wird sich bis zum Ende der Saison weiterhin waschen, rasieren – zumindest teilweise – und angemessene und gereinigte Kleidung tragen.

Der Berliner Kabarettist Frank Lüdecke schreibt bei uns jeden Montag über die Fußball-Bundesliga.
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© Zeichnung: Tsp

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Frank Lüdecke

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