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Der verwirrende Trainer: Jos Luhukay genießt aber Erfolg.

© dpa

Auslaufen mit Lüdecke: Verwirrende Hertha

Unser Kolumnist ist verwirrt. Hertha verliert die wichtigen Spiele nicht mehr. Das liegt an der unvorhersagbaren Taktik des Trainers, sowie dessen Einstellung, die perfekt zu Berlin passt.

Ich sage gleich, ich weiß nicht, wie ich das einzuordnen habe. Ich bin verwirrt. Seit vier Jahrzehnten verfolge ich nun die Spiele von Hertha BSC. Und meine Mannschaft war immer verlässlich. Es gab eine klare Abmachung zwischen Fan und Verein. Gibt es ein wichtiges Spiel – wird es verloren. Ob München oder Meuselwitz, egal. Natürlich, es gab auch Ausreißer. Die Mannschaften um Horr oder Erich Beer, die Champions League unter Röber, das kurze Aufflackern unter Favre. Das war’s dann aber auch. Wenn man sonst so guckt, wird es doch ziemlich dunkel. Ich sage nur: Heimspiele gegen Erkenschwick, vor 2000 Zuschauern.

Und nun das. Nach der Hinrunde Platz sechs! Als Aufsteiger! Zum Abschluss noch ein Auswärtssieg in Dortmund. Ja, klar, Dortmund hatte Verletzungsprobleme. Aber Hertha etwa nicht? Wenn man das Spiel gesehen hat, gibt es nur eine Interpretation. Der gute Klopp wurde von Herthas Trainer taktisch über den Tisch gezogen. Luhukay hatte angekündigt, einen 18-Jährigen ins Tor zu stellen. Nach den bisherigen Übereinkünften hätte das Spiel so laufen müssen: Der junge Mann steht zwar im Tor. Aber er kassiert fünf Gegentreffer, von denen er mindestens sechs selbst verschuldet hat. Damit wir Berliner sagen können: „Logisch. Musste ja so kommen.“ Tja. Man kann sich eben auf nichts mehr verlassen.

Hat es in der Hinrunde überhaupt irgendein Spiel gegeben, wo jemand die Aufstellung von Hertha BSC korrekt vorhergesagt hätte? Immer, wenn man denkt, Spieler X wird wohl diesmal von Anfang spielen, dann bringt Luhukay Y! Ausgerechnet Y, von dem man völlig vergessen hatte, dass er auch noch im Kader ist. Dann macht Y natürlich ein überragendes Match und alle sagen: Whow! Da haben wir ja jetzt mit X und Y zwei tolle Spieler! Wer von den beiden wird wohl nächstes Mal auflaufen? Antwort: Keiner. Weil Luhukay bringt Z. Aus taktischen Erwägungen. Im Ernst: Wer stellt denn einen A-Jugendlichen ins Tor? In Dortmund, vor 80 000 Zuschauern? Einen, der sich Herthas Spiele bislang aus der Fankurve angesehen hat? Wieso spielt Pekarik auf der falschen Seite? Warum ist Allagui bester Mann, obwohl er dreimal hintereinander nicht in der Startelf stand? Und auch diese schöne Frage: Wer ist der älteste Mann im Kader, der es nicht gewohnt ist, Innenverteidiger zu spielen? Aaah.... Kobiaschwili! Nach dem Sieg in Dortmund sagt jeder: Tolle Ideen! Sicher. Muss man aber erst mal drauf kommen.

Der Berliner Kabarettist Frank Lüdecke schreibt bei uns jeden Montag über die Fußball-Bundesliga.
Der Berliner Kabarettist Frank Lüdecke schreibt bei uns jeden Montag über die Fußball-Bundesliga.

© Zeichnung: Tsp

Luhukay wirkt in Interviews sehr aufgeräumt, fast etwas bieder. Wir sollten uns da nicht täuschen lassen. Bei dem brodelt es nur so im Kopf, vor Fußball. Der ist Pedant, Arbeitstier und Anarchist zugleich. Der würde sich selbst aus’m Kader werfen, wenn er der Überzeugung wäre, es könnte nützen. Dazu zurückhaltend, charmant und freundlich. Vielleicht ist das ja das Erfolgsgeheimnis. Dass Luhukay genau jene Eigenschaften verkörpert, die uns Berliner schon immer auszeichneten.

Der Berliner Kabarettist Frank Lüdecke schreibt hier jeden Montag über die Fußball-Bundesliga.

Frank Lüdecke

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