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Sport: Australian Open: Der beste Andre aller Zeiten

Der Mann ist für Diskretion und nicht für große Worte bekannt. Doch in diesen ersten Grand-Slam-Tagen von Melbourne fühlt sich der zweieinhalb Zentner schwere Koloss aufgerufen, Gerüchte über ein baldiges Karriere-Ende seines Freundes Andre Agassi zu dementieren.

Der Mann ist für Diskretion und nicht für große Worte bekannt. Doch in diesen ersten Grand-Slam-Tagen von Melbourne fühlt sich der zweieinhalb Zentner schwere Koloss aufgerufen, Gerüchte über ein baldiges Karriere-Ende seines Freundes Andre Agassi zu dementieren. "Andre ist so fit, so motiviert, so ehrgeizig, dass er noch mit 35 auf dem Centre Court stehen kann", sagt Gil Reyes, der unübersehbare Fitnesscoach an Agassis Seite. Reyes glaubt, dass Agassi nicht nur das physische Potenzial, sondern auch den Willen für eine Laufbahn weit jenseits der 30 hat: "Ich würde mich nicht wundern, wenn dieser Teufelskerl bei den Australian Open 2005 noch mitmischt."

Zumindest seine laufende Kampagne für eine erfolgreiche Titelverteidigung im Jahr 2001 hat Agassi mit Klasse und Eleganz begonnen. "Ich bin sonst ein Perfektionist, der nicht so leicht zufrieden ist. Aber in diesem Match war ich praktisch fehlerfrei", sagte der Amerikaner nach dem 6:0, 7:5, 6:3-Sieg gegen den Tschechen Jiri Vanek. "Ich habe zwar noch nicht alle Teile des Puzzles zusammen wie im letzten Jahr, aber ich fühle, dass meine Sicherheit, mein Selbstbewusstsein und mein Spiel zurückkehren." Auf die Möglichkeit angesprochen, vielleicht noch über Jahre mit den Stars der neuen Generation um die Vormachtstellung im Welttennis zu kämpfen, sagte Agassi: "Ich wäre dazu bereit, keine Frage."

Kompromisse dürfte er in der Zukunft dann so wenig eingehen wie heute. "In dieser unglaublichen Leistungsdichte im Tennis kannst du dir keinen Schlendrian erlauben. Du musst 100 Prozent konzentriert sein und dich bedingungslos den Zwängen als Profi unterordnen." Agassi kann sich selbst noch an die Zeiten erinnern, als er versuchte, neben seinen Engagements auf der Tennistour andere Interessen zu verfolgen: "Das geht nicht mehr", sagt er, "und heute sind mir die Erfolge im Tennis auch am wichtigsten. Ich würde nichts dagegen eintauschen."

Obwohl sich zuletzt Spekulationen verdichteten, Agassi plane bereits die Zeit nach dem Tennis, zusammen mit seiner deutschen Lebensgefährtin Steffi Graf, denkt der 30-Jährige überhaupt nicht ans Aufhören. "Ich spüre, dass ich noch eine Menge großer Siege und Titel in mir habe", sagt er, "und solange ich merke, dass ich den Besten weh tun kann, dass ich sie auch schlage, solange gibt es keinen Grund zum Aufhören."

So klingt Agassi nach einer wilden Achterbahnfahrt im Spieljahr 2000 - mit wenigen Höhen und vielen Tiefen - inzwischen schon wieder wie der Mann, den seine Freunde beim Australian-Open-Sieg vor einem Jahr "Rock" nannten, den Fels. Einer, der weiß, was er will, was er kann, und einer der spürt, was er tun muss, um zu siegen. "Leicht wird es hier für keinen, mich vom Platz zu hauen", sagt Agassi.

Seine Mitstreiter gehen noch eine Stufe weiter und schwärmen vom besten Andre Agassi aller Zeiten. "Er ist stärker, schneller und fitter als jemals zuvor. Einen besseren Spieler Agassi hat es nie gegeben", sagt Drillmeister Reyes, der über die Weihnachtsfeiertage und den Jahreswechsel "ein ganz hartes Programm" mit seinem Chef durchgearbeitet hat.

Woher Andre Agassi die Motivation nimmt, um nach einem eher mittelmäßigen Jahr noch einmal den langen Marsch auf den Gipfel zu versuchen, weiß keiner besser als Coach Brad Gilbert, der ihn seit sieben Jahren rund um den Erdball begleitet. "Die jungen Burschen wie Safin, Hewitt, Kiefer oder Federer und Ferrero sind wie Medizin für ihn. Sich selbst zu verbessern, um mit denen mithalten zu können, das ist sein Ziel und seine Herausforderung." Wie jeder Athlet stelle sich auch Agassi ständig die Frage, "ob er noch besser und stärker werden kann", sagt Gilbert, "und in den nächsten Monaten hofft Andre auf eine Antwort, die uns alle glücklich machen würde."

Eine Antwort, die "ja" lautet und mit spektakulären Titeln versüßt wäre.

Jörg Allmeroth

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