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Sport: Austritt aus dem Sport

Warum das Doping-Ermittlungsverfahren gegen Leichtathletin Grit Breuer eingestellt wurde

Berlin - Das Verfahren gegen Grit Breuer ist eingestellt, aber ist sie deshalb unschuldig? Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) ermittelt jedenfalls nicht mehr gegen die Welt- und Europameisterin wegen Verstößen gegen die Anti-Doping-Richtlinien. Das könnte er nach eigener Einschätzung auch gar nicht mehr, denn Breuer hat sich der Sportgerichtsbarkeit entzogen: Sie ist aus allen Vereinen ausgetreten. „Die Sportgerichtsbarkeit beruht auf der freiwilligen Unterwerfung des Athleten. Wir haben daher alle Möglichkeiten ausgereizt“, sagte DLV-Präsident Clemens Prokop. Es sei allerdings nicht auszuschließen, dass Breuer ihre Titel noch nachträglich aberkannt bekomme.

Breuer hatte immer betont, nie positiv getestet worden zu sein. 1992 war sie nach Einnahme des Kälbermastmittels Clenbuterol in der Tat nicht wegen Dopings, sondern wegen Medikamentenmissbrauchs verurteilt worden. Denn das Mittel stand nicht auf der Dopingliste. Ihr damaliger Trainer und jetziger Lebensgefährte Thomas Springstein hatte sich damals der Sportgerichtsbarkeit durch Vereinsaustritt entzogen. Im März 2006 war er wegen Dopingvergabe an eine Minderjährige zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Seine Prozessakten waren auch die Grundlage für das Ermittlungsverfahren des DLV gegen Breuer sowie den 800-Meter-Olympiasieger Nils Schumann und Hürdenläuferin Ulrike Urbansky, die alle von Springstein trainiert wurden.

Breuer taucht am häufigsten in den Unterlagen auf, in denen sich Springstein mit dem spanischen Arzt Miguel Peraita über die Anwendung zum Teil nicht nachweisbarer Dopingsubstanzen austauschte. Breuers Verstrickung in den Fall wird der DLV jedoch nicht weiter untersuchen. Im Fall von Schumann und Urbansky reichten die Hinweise aus den Akten nicht für eine Verurteilung durch das Sportgericht. Bei Urbansky entschied der Disziplinarausschuss des DLV, dass der sich aus den Unterlagen ergebende Dopingverstoß Ende August 2006 verjährt ist und daher keine Sanktion verhängt werden kann.

„Nils Schumann hat eine umfangreiche Erklärung abgegeben. Das Sportgericht hat daraufhin versucht, Thomas Springstein als einzigen möglichen Zeugen zu vernehmen. Der war dazu aber nicht bereit“, sagte Prokop. Juristisch sei nichts zu machen gewesen. „Unser Sportgericht ist mit hochqualifizierten Juristen besetzt, darunter sind Bundesrichter und Hochschulprofessoren.“ Von den Ermittlungen bleibe nun dies übrig: „Thomas Springsteins Prozessakten haben uns neue Erkenntnisse über die Möglichkeiten geliefert, die mit Doping heute gegeben sind. Wir sind uns jetzt der Schwächen unseres Kontrollsystems in vollem Umfang bewusst.“ Der DLV-Präsident sieht in der Dopingbekämpfung daher die Grenzen des Systems erreicht: „Die Sportgerichtsbarkeit hat keine Mittel mehr, wenn die Staatsanwaltschaft aufgrund der Gesetzeslage nur die Abgabe von Dopingmitteln verfolgt, aber nicht, was der Athlet damit gemacht hat. Wir werden daher weiter für eine strukturelle Veränderung des Systems kämpfen, denn wir wollen raus aus der alleinigen Abhängigkeit von unserem Dopingkontrollsystem.“

Im Gegensatz zum Deutschen Leichathletik-Verband sieht Roland Augustin, der Geschäftsführer der Nationalen Anti-Doping-Agentur, in diesem Fall noch nicht alle juristischen Möglichkeiten ausgeschöpft: „Es geht doch auch um den Tatzeitpunkt, ob ein Athlet da noch in einem Verein war.“ Augustin hätte sich auch eine enge Abstimmung mit dem Internationalen Leichtathletik-Verband gewünscht, „es gibt schließlich Hinweise, dass internationale Meisterschaften durch Manipulation gewonnen worden sein könnten“. Um künftig Verfahren gegen Athleten auch nach deren Vereinsaustritt verhandeln zu können, fordert Roland Augustin ein nationales Sport-Schiedsgericht. „Da sind andere Länder schon viel weiter als wir.“

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