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Sport: Auswärtige Angst

Vor dem Uefa-Cup-Spiel bei Austria Wien rätselt Dortmund über seine Schwäche – Koller und Rosicky fallen aus

Dortmund. Bei den Dortmunder „Ruhr-Nachrichten“ hatten sie jetzt eine Eingebung. Vielleicht – so die putzige Idee – könne man der chronischen Auswärts-Malaise des BVB ja mit der „perfekten Illusion“ begegnen: „Wien ist Dortmund und das Ernst-Happel-Stadion ist in Wahrheit das Westfalenstadion“ – mit dieser frohen Botschaft seien die verängstigten Profis eventuell zu bewegen, auch fern der Heimat endlich mal wieder passabel Fußball zu spielen.

Die Verantwortlichen von Borussia Dortmund können darüber gar nicht lachen. Vor dem heutigen Hinspiel der ersten Runde des Uefa-Pokals bei Austria Wien ist die Auswärtsbilanz einfach zu niederschmetternd. In diesem Jahr hat der BVB in der Liga noch keine Begegnung in der Fremde für sich entscheiden können. Nach dem 0:1 in Stuttgart hat sich die Lage weiter zugespitzt. In Wien geht es darum, das Überleben im internationalen Wettbewerb zu gewährleisten. Andernfalls müsste der börsennotierte Klub den Verlust weiterer Millioneneinnahmen in Kauf nehmen.

Ausgerechnet in dieser Situation fallen jetzt noch zwei Schlüsselspieler aus. Bei Stürmer Jan Koller wurde am Dienstag eine Lungenentzündung diagnostiziert. Wie lange der Tscheche fehlt, hängt von weiteren Untersuchungsergebnissen ab. Drei Wochen werden es bei Spielmacher Tomas Rosicky sein, der am Blinddarm operiert werden musste. Normalerweise müsste es in Wien dennoch reichen, schließlich werden heute immer noch eine ganz Reihe Nationalspieler im BVB-Trikot auflaufen. Doch was die Auswärtsauftritte betrifft, ist in Dortmund schon lange nichts mehr normal. Seit der ersten Dienstfahrt 2003 im Januar nach Berlin wiederholt sich ständig die gleiche Litanei. Die Führung des Klubs mahnt Ehrgefühl, Professionalität und Erfolgsdenken der Profis an, heraus kommt mit frustrierender Regelmäßigkeit jener blutleere Kick, den Präsident Gerd Niebaum als „Verwaltungsfußball“ gegeißelt hat.

Dabei spüren die Entscheidungsträger im Klub immer wieder ihre Ohnmacht. „Du kannst sagen, was du willst“, resümierte Sportdirektor Michael Zorc in Stuttgart. Längst hat das Bild einer Mannschaft, die nach dem unverhofften Gewinn der Meisterschaft 2002 glänzende Perspektiven zu haben schien, Kratzer erhalten. Das Dilemma gipfelte nach dem Aus in der Champions-League-Qualifikation in jener Gehaltsdiskussion, die auch als Folge von gravierenden Managementfehlern anzusehen ist. Es hat sich als fahrlässig herausgestellt, Profis, bei denen man ein „Mentalitätsproblem“ (Manager Michael Meier) festgestellt hat, mit Verträgen auszustatten, die Verweigerungsfußball Vorschub leisten. Ein Manko, das zu Wochenbeginn korrigiert wurde, als in Absprache mit den Spielern 20 Prozent der Bezüge in Prämien umgewandelt wurden, die nur im Erfolgsfall ausbezahlt werden.

Ein erster Schritt, der nicht garantiert, dass die Profis künftig auswärts alles in Grund und Boden rennen. Wer mit Präsident Niebaum über die seit neun Monaten anhaltende Misere spricht, bekommt Beschwichtigendes zu hören: „Zu Hause spielen wir attraktiven Fußball und schießen Tore.“ Und wenn mehr als 80 000 Fans im Westfalenstadion für die größte Bundesligakulisse seit Anfang der Siebzigerjahre sorgen, sei das eine „Abstimmung mit den Füßen, die man bei der Beurteilung nicht einfach außen vor lassen darf“. Nur haben die Fans in Stuttgart erstmals auch mit dem Hintern abgestimmt und die Mannschaft mit einer Sitzblockade gezwungen, sich für ihre Null-Leistung zu rechtfertigen. Mittendrin führte Trainer Matthias Sammer das Wort, der die undankbare Aufgabe hat, einer Ansammlung schwer therapierbarer Spieler die Angst vor der Fremde zu nehmen. Irgendwann könnten die Gesetzmäßigkeiten der Branche auch in Dortmund dafür sorgen, dass der Trainer zur Disposition gestellt wird.

Doch der Trainer genießt in Dortmund auch in Zeiten chronischer Erfolglosigkeit in fremden Stadien uneingeschränkten Schutz: „Fragen nach dem Trainer beantworte ich erst gar nicht“, sagt Niebaum mit Nachdruck, „weil sie in die falsche Richtung führen. Sie betreiben publizistische Effekthascherei.“

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