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Sport: Autogramme gibt es nicht für alle

Wie Christoph Daum mit Fenerbahce Istanbul nach Berlin kam und sich gegen Fragen nach dem Bundestrainerposten wehrte

11.05 Uhr. Flughafen Tegel. Christoph Daum landet mit seiner Mannschaft Fenerbahce Istanbul in Berlin. Aber weder Fans noch Journalisten erwarteten Daum, seine Ankuft wurde weitestgehend geheim gehalten. „Das war ihm sehr wichtig“, sagt Nicolas Gauger, der Zweite Vorsitzende des Berliner Fußball-Vereins Türkiyemspor. Er hat das gestrige Freundschaftsspiel seines Kreuzberger Oberligisten gegen den Türkischen Meister organisiert, das Türkiyemspor schließlich vor 4000 Zuschauerm im Jahn-Sportpark mit 2:3 (0:2) verlor.

„Für die Organisation habe ich ausschließlich mit Daum gesprochen, der macht da nämlich alles selbst“, erzählt Gauger. Auch am Flughafen macht der deutsche Trainer alles selbst. Der Koffer mit den Trikots ist in Köln liegen geblieben. Daum geht zur Gepäckvermittlung. Der Koffer soll um 17.30 Uhr nachgeflogen werden. Das Spiel beginnt allerdings schon um 18 Uhr. Die türkischen Funktionäre sind aufgeregt, reden auf die Frau am Schalter ein. Die ist überfordert. Daum bleibt sachlich. Er ruft in Köln an und bucht einen früheren Flug für die Koffer. „Nichts klappt, wenn man es nicht selbst macht“, grummelt der deutsche Trainer.

Auch das diesjährige Trainingslager in der Eifel hat der 50-Jährige allein organisiert. Ob die Mehrarbeit in der Türkei für ihn eine große Belastung darstellt? Daum versucht, der Frage auszuweichen. Er sagt: „Mehr als bei meinem alten Verein Bayer Leverkusen arbeite ich gar nicht. Ich arbeite lediglich in anderen Bereichen.“ Ob er sich nicht ein wenig nach den geordneten Verhältnissen in Deutschland sehne? Kein Kommentar. „Ich bin Trainer von Fenerbahce Istanbul.“ Das Klagen überlässt er lieber anderen, etwa dem Berliner Spiel-Organisator Nicolas Gauger. Der erzählte folgende Geschichte: Als der Mathematiker vor zwei Monaten beim türkischen Fernsehsender „Show-TV“ anrief, um zu erfahren, ob die Fernsehanstalt das Spiel übertragen werde, wurde er nur belächelt. „Wir wissen noch nicht einmal, was wir morgen senden“, erklärte ihm ein Redakteur lachend. Erst vor drei Tagen bekam Gauger die Zusage, dass das Spiel live übertragen wird. „Wenn wir das schon früher gewusst hätten, wäre die Bandenwerbung im Stadion wesentlich mehr Wert gewesen“, ärgert sich Gauger. Das Freundschaftsspiel hat er geplant, um seinem angeschlagenen Verein finanziell zu helfen.

Zwei Stunden nach seiner Ankunft am Flughafen sitzt Christoph Daum in einem Berliner Hotel und erwartet das, was er am Flughafen mit seiner geheimen Ankunft noch verhindern konnte: Fragen zum vakanten Posten des Bundestrainers. Aber Daum hat diese Fragen in den letzten Tagen und Wochen wohl ein paar Mal zu oft gehört. Er erwidert verärgert: „Dazu sage ich nichts mehr. Ich habe einen laufenden Vertrag in Istanbul.“ Einen kleinen, aber genau gezielten Seitenhieb gegen den Deutschen-Fußball-Bund (DFB) kann er sich dann aber doch nicht verkneifen. „Sinnvoll wäre es für den DFB, mal einen Trainer zu finden, der nicht sofort absagt“, sagt Christoph Daum trocken.

Am Abend beim Freundschaftsspiel im Jahn-Sportpark genießt er den Jubel der türkischen Fans. Christoph Daum wird beim Betreten des Stadions mit reichlich Applaus begrüßt, für die Fans schreibt er Autogramme und auf türkische Fahnen. „Der türkische Fußball hat eine große Zukunft“, sagt Daum. Da ist sich der Trainer inzwischen ganz sicher.

Die zahlreich gekommenen türkischen Journalisten sind angesichts solcher Worte natürlich begeistert. In den Augen einiger deutscher Fußball-Fans ist Christoph Daum aber nach seiner Kokain-Affäre noch nicht vollständig rehabilitiert. Als er am Flughafen von ein paar Autogrammjägern verfolgt wird, ihnen aber keine Unterschrift geben will, rufen die ihm enttäuscht hinterher: „Dann geh’ doch koksen!“

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