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Dabei sein ist alles. Die Winterspiele bringen deutschen Firmen Aufträge für 1,5 Milliarden Euro. Foto: Reuters

© AFP

Sport: Bandagen, Waschmaschinen, Kläranlagen

Die Organisatoren der Olympischen Spiele von Sotschi haben Aufträge an knapp 100 deutsche Firmen über 1,5 Milliarden Euro vergeben. Aber nur wenige Unternehmen dürfen überhaupt sagen, dass sie dabei sind.

Das Projekt ist generalstabsmäßig geplant: Ein knappes Jahr nachdem die Delegierten des Internationalen Olympischen Komitees im Sommer 2007 in Guatemala für den russischen Badeort Sotschi als Austragungsort der Winterspiele 2014 gestimmt hatten, begann sich die deutsche Wirtschaft zu organisieren. Die Deutsch-Russische Außenhandelskammer (AHK) richtete eine Abteilung ein, um deutschen Firmen als erste Anlaufstelle auf dem Weg durch Russlands Bürokratie zu dienen. Der Ost-Ausschuss, ein Arm des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), der schon seit Zeiten des tiefsten Kalten Krieges Kontakte mit Russland pflegt, richtete einen Arbeitskreis Sotschi ein. Vergangene Woche konnten die Institutionen das Ergebnis ihrer Lobbyarbeit präsentieren: Aufträge für 1,5 Milliarden Euro für deutsche Firmen.

Knapp 100 Unternehmen erhielten Aufträge, heißt es. Die brachten ihnen im Schnitt also 15 Millionen Euro direkten Umsatz bei der Vorbereitung der Spiele. Die meisten davon feiern ihren Erfolg nicht laut, da sie ohne Genehmigung der Organisatoren nicht als Sotschi-Partner auftreten dürfen. Wer sich ohne Erlaubnis mit dem Glanz der Ringe schmückt, muss mit Ärger rechnen. Nur eine Handvoll Firmen erhielten die offizielle Genehmigung, als „Official Sotschi 2014 Supplier“ in Erscheinung treten zu dürfen. Jedenfalls vor Ort, bei den Spielen. In Deutschland ist jedwede Werbung mit dem olympischen Geschäft verboten. Auch der Bauerfeind AG aus Zeulenroda.

Einen 60-seitigen Vertrag hat der thüringische Hersteller von Bandagen, Orthesen und Einlagen mit dem Organisationskomitee geschlossen und sich dabei „Daumenschrauben“ anlegen lassen, wie eine Firmensprecherin sagt. Wie viel man zahlen musste, um in den drei Polikliniken während der Spiele als einziger Anbieter die medizinischen Hilfsmittel vorhalten zu dürfen, ist natürlich streng geheim. Wie überhaupt die Kosten des ganzen Spektakels: Bauerfeind schickt 22 Leute nach Russland, allesamt Fachkräfte der Orthopädietechnik, die mit gut 5000 Bandagen und Orthesen auf die Reise gehen, um 2900 Athleten bei Bedarf versorgen zu können. Und das nicht zum ersten Mal. Bei den vergangenen Spielen in Vancouver konnte Bauerfeind schon Erfahrungen sammeln, und in London waren die Thüringer auch als „Partner des Olympia-Organisationskomitees“ dabei.

Andere haben ihre Geschäfte längst gemacht, wenn das Olympische Feuer flackert. Die Berliner Firma Beton & Rohrbau zum Beispiel, die auf dem Gebiet der Wasseraufbereitung tätig ist und in Sotschi eine Kläranlage gebaut hat. Die Anlage ist seit langem fertig, Auftraggeber war die umstrittene, staatliche SC Olimpstroy, die es bisweilen mit Zahlungen nicht so genau genommen haben soll. Für Beton & Rohrbau scheint alles gutgegangen zu sein – jedenfalls will sich die Firma aus dem Wedding, die mit 300 Mitarbeitern rund 60 Millionen Euro im Jahr umsetzt, nicht weiter zu dem Projekt im Russland äußern.

Vor einem knappen Jahr hat Martin Kannegiesser, viele Jahre Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, in Berlin den Vertrag mit einem russischen Textildienstleister unterschrieben über die Einrichtung einer großen Waschstraße. Kannegiesser baut Wäschetechnik in großem Maßstab, etwa für Hotels oder Krankenhäuser. Und eben auch für Olympische Spiele. Schon 1980, bei den Sommerspielen in Moskau, haben Maschinen aus dem ostwestfälischen Vlotho die Wäsche gewaschen – trotz Sportboykotts durch den Westen. Jetzt also wieder nach Russland.

Kannegiesser hat in Sotschi für zehn Millionen Euro eine ganze Waschstraße gebaut, die jeden Tag bis zu 100 Tonnen Textilien waschen, trocknen, mangeln, falten und sortieren kann. Das reicht für rund 25 000 Menschen. Mit dem russischen Partner arbeitet Kannegiesser schon länger zusammen, und zwar bei der Wäschepflege für Hotels und die russische Eisenbahn. Auch die neue Anlage in Sotschi soll nach den Spielen für diese Zwecke genutzt werden. Kannegiesser, der in rund 50 Ländern Waschtechnik verkauft, kann nicht klagen über seine russischen Partner. Ähnlich große Aufträge hat der Mittelständler aus der deutschen Provinz bislang nur im arabischen Raum (für Flughäfen) und in Italien (bei Berufsbekleidung) an Land gezogen. „Jegliche Veröffentlichung oder Bekanntgabe der Firmennamen in Bezug auf die Olympischen Winterspiele in Sotschi können deutschen Unternehmen vonseiten der russischen Organisatoren Schwierigkeiten bereiten“, heißt es bei der deutsch-russischen Auslandshandelskammer.

Die Sorge muss die Münchener CTS Eventim als „Official Supplier“ wohl nicht haben. CTS ist Lieferant des Organisationskomitees in der Kategorie „Ticketing Services”. Die entsprechenden Verträge wurden vor einem Jahr von Dmitry Chernyshenko persönlich, dem Präsidenten und CEO des Organisationskomitees, und Klaus-Peter Schulenberg, Vorstandschef der CTS Eventim AG, unterzeichnet. „Wir sind stolz, Teil der olympischen Bewegung zu sein“, freute sich Schulenberg. „Über unsere sicheren Online-Portale werden Sportfans ihre Tickets bequem direkt über das Internet buchen können.“ Ob die Stellung als offizieller Lieferant etwas bringt oder etwas kostet, bleibt offen. Aber die Strahlkraft eines der größten Sportereignisse elektrisiert offenkundig Markenstrategen von allen möglichen Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen.

Vergleichbar mit der thüringischen Bauerfeind ist immerhin die Medizintechnikfirma Otto Bock, die mit ihren Prothesen bei den im März stattfindend Paralympics vertreten ist. Und das Unternehmen Paul Hartmann aus Heidenheim an der Brenz gehört auch noch im weiteren Sinn zum Bereich medizinischer Versorgung: Verbandszeug, Plastikhandschuhe und Desinfektionslösungen für Sotschi stammen von Hartmann. Reinigungsgeräte kommen von der Firma Kärcher und Autos von Volkswagen. Europas größter Autohersteller, der auch ein Werk in Russland unterhält, wird mit neuen Pkw der Konzernmarkten VW, Audi und Skoda die Funktionäre durch den Badeort kutschieren und darauf hoffen, dass die Logos der Autos ständig Fotografen und Kameraleuten vor die Linse fahren. Wie nachhaltig das alles ist, weiß kein Mensch.

Im Gespräch mit dem Tagesspiegel relativiert der Ost-Ausschuss-Vorsitzende Eckhard Cordes die Bedeutung der Sotschi-Aufträge (siehe Interview). Laut einer Umfrage der AHK unter den 6100 in Russland tätigen Unternehmen bewerten nur vier Prozent die Impulse durch die Spiele als „stark positiv“. Weitere 32 Prozent können leichte Impulse erkennen, 14 Prozent glauben gar, Sotschi werde sich negativ aufs Geschäft auswirken. Michael Harms, Leiter der AHK in Moskau, will sich den Erfolg aber nicht madig machen lassen. Deutsche Firmen hätten dort Vorzeigeprojekte realisiert und ihre Technologieführerschaft demonstriert, sagte er diese Woche bei der Präsentation der Ergebnisse. „Es sind sehr teure Spiele.“ Und er meinte das durchaus positiv. „Die deutschen Unternehmen, die in Sotschi Geschäfte gemacht haben, haben dies sauber gemacht. Da bin ich mir sicher.“

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