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Basketball: Stau statt Spiel

Spätestens 15 Minuten nach dem offiziellen Spielbeginn hätte das Team laut Reglement der Basketball-Bundesliga auf dem Feld stehen müssen. Das war nicht zu schaffen. Gießens Basketballer kommen wegen eines Unfalls auf der Autobahn nicht bis Ludwigsburg.

Irgendwann wählte Jens Gelhaar die 110. Der Sportdirektor der Gießen 46ers steckte mit dem Mannschaftsbus auf der A6 im Stau, es waren noch rund 50 Kilometer bis Ludwigsburg, und dem Basketball-Bundesligisten lief die Zeit davon. Er brauchte dringend eine Polizei-Eskorte oder eine andere Rettungsmaßnahme, um 19.30 Uhr sollte das Spiel bei der EnbW Ludwigsburg beginnen. „Ich bin mit der Autobahnpolizei verbunden worden“, erzählt Gelhaar, „aber es gab keine Chance auf Hilfe.“ Die Strecke war auf einem Baustellenabschnitt nach einem Unfall nur einspurig befahrbar, „es gab nur Äcker und Wiesen, keine Standspur und keine parallel verlaufende Landstraße, wo man Autos hätte anhalten können“, sagte Gelhaar, dessen Team gerade erst durch finanzielle Probleme negative Schlagzeilen gemacht hatte.

Spätestens 15 Minuten nach dem offiziellen Spielbeginn hätte das Team laut Reglement der Basketball-Bundesliga auf dem Feld stehen müssen. Das war nicht zu schaffen. 30 Kilometer von der Halle entfernt kehrte der Bus gegen 19.50 Uhr um, das Spiel wurde mit 2:0 Punkten und 1:0 Körben für Ludwigsburg gewertet. Außerdem werden die Gießener im Vergleich zu punktgleichen Teams künftig schlechter platziert. Für den Tabellenvorletzten im Abstiegskampf ein zusätzliches Manko. „Wir sind frustriert“, sagt Jens Gelhaar, „aber es gibt keine rechtliche Handhabe um Protest einzulegen.“ Ludwigsburg, am Mittwoch im Pokal Gegner von Alba Berlin, wollte nach zuletzt drei Niederlagen hintereinander einem um eine Stunde späteren Spielbeginn nicht zustimmen und hatte das Reglement auf seiner Seite.

1996 war den Gießenern ähnliches wiederfahren, ebenfalls auf dem Weg nach Ludwigsburg. Damals erbettelten fünf Spieler von einem neben ihnen im Stau steckenden Unbekannten dessen Golf und jagten auf der Standspur. Richtung Halle. Doch an einer Tankstelle füllten sie versehentlich Super statt Diesel ein, das Fahrzeug blieb wenig später liegen. Die fünf Spieler joggten die letzten Kilometer bis zur Halle. Sie trafen kurz nach der Kulanzzeit ein, siegten – und verloren am Grünen Tisch doch noch, weil Ludwigsburg schon zuvor vorsichtshalber Protest eingelegt hatte.

Diese Anekdote ist auf Gießens Homepage inzwischen unter „Magische Momente“ verzeichnet. Diesmal ist wenig Magie im Spiel. Die Gießener müssen sich fragen, ob sie nicht schon vor 15 Uhr in der Heimat hätten abfahren müssen. „Um 16.50 Uhr hatten wir noch 50 Kilometer vor uns, ohne Stau sind das 40 Minuten“, sagt Sportdirektor Gelhaar. Mit Stau reichten mehr als zweieinhalb Stunden nicht. Gelhaar bewegt inzwischen etwas anderes: „Der Busfahrer wusste vom Stau und hätte anders fahren können, hat es aber nicht getan.“ Mehr will er dazu nicht sagen, er kündigt nur an: „Wir wollen unseren Ärger in Energie umsetzen. Jetzt erst recht.“

Helen Ruwald

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