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Wer springt nach vorn? Der Umsturz und die wirtschaftlichen Probleme lassen daran zweifeln, dass die Ukraine im September 2015 das EM-Turnier ausrichten kann.

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Basketball: Ukraine könnte EM 2015 verlieren

Eigentlich soll die Ukraine die Basketball-EM 2015 ausrichten. Angesichts der politischen und wirtschaftlichen Krise denkt der europäische Verband aber darüber nach, das Turnier zu verlegen. Deutschland wäre ein denkbarer Ersatz-Ausrichter.

Auf der Homepage der Basketball-Europameisterschaft 2015 ist die Ukraine noch in Ordnung. Der auf einem Foto entschlossen und optimistisch dreinblickende Organisationschef Alexander Wilkul verkündet, die EM werde der Ukraine die Chance geben, sich der Welt zu präsentieren, zudem würden 100 000 neue Jobs entstehen. In der Realität hat Wilkul momentan andere Probleme. Am Montag ordnete er in seiner Rolle als kommissarischer Vize-Regierungschef an, alle Zahlungen aus dem Staatshaushalt bis auf Löhne und Gehälter vorerst einzustellen. Es gelte, „nicht zielgerichtete Ausgaben zu verhindern“. Angesichts des politischen Umbruchs in der Ukraine und der immensen wirtschaftlichen Probleme dürfte der Bau von Sportarenen und die Organisation eines Basketballturniers kaum in die Kategorie „zielgerichtete Ausgaben“ fallen. Zurzeit ist überhaupt nicht abzusehen, ob die EM im kommenden September überhaupt in der Ukraine stattfinden kann. Und falls nicht, wer das Turnier stattdessen ausrichten könnte.

Am gestrigen Dienstag beriet das Exekutivkomitee der Fiba Europe in München über die Situation. „Das ist natürlich alles sehr heikel und schwierig“, sagt Ingo Weiss, Präsident des Deutschen Basketball-Bundes (DBB) und Vizepräsident von Fiba Europe. Laut Weiss haben die Vertreter des ukrainischen Organisationskomitees in der Sitzung an den Verband appelliert, das Turnier in der Ukraine zu belassen. „Wir haben alle Alternativen diskutiert“, sagt Weiss. In drei Wochen werde die Verbandsspitze eine Entscheidung fällen. Zurzeit gibt es drei Möglichkeiten: Sollte sich die Lage in der Ukraine beruhigen, könnte das Turnier wie geplant stattfinden. Eine zweite Möglichkeit ist, dass eine oder mehrere Nationen ein Teil des Turniers übernehmen, zum Beispiel die Vorrunde. Als dritte Option könnte die EM komplett neu vergeben werden. In diesem Fall würde die Ukraine als Kompensation womöglich die EM 2017 erhalten.

Im Dezember wollte der Verband vor Ort Fortschritte bei Organisation und Hallenbau überprüfen, die Inspektionsreise wurde jedoch aufgrund der Unruhen abgesagt. Eigentlich ist geplant, dass 24 Mannschaften an sechs Spielorten in größtenteils neu errichteten Arenen um den Titel kämpfen. Allerdings soll an mindestens einem Standort der Bau der neuen Arena nicht einmal begonnen haben. Kamil Novak, Generalsekretär von Fiba Europe, äußerte sich bereits im November mit Sorge über die Baufortschritte: „Die Ukraine darf sich keine Verzögerungen erlauben.“

Sollte sich der europäische Verband für eine partielle oder komplette Verlegung des Turniers entscheiden, könnten als Ausrichter womöglich jene Länder einspringen, die ursprünglich mit der Ukraine konkurriert hatten. Deutschland, Frankreich, Italien und Kroatien hatten sich zusammen um die EM 2015 beworben, ihre gemeinsame Kandidatur dann aber mit dem Hinweis auf fehlende Professionalität des Bewerbungsverfahrens und mangelnde Transparenz zurückgezogen. Eine Vergabe an das Kandidaten-Quartett hätte den Vorteil, dass die Hauruck-Aufgabe von vier Verbänden leichter zu stemmen ist als von einem Ausrichter alleine.

Der französische Verband hat sich vor einigen Tagen bereits in Stellung gebracht. „Wir sind motiviert, sofern die Finanzierung gesichert ist. Allerdings sind wir davon noch weit entfernt“, sagte Verbandspräsident Jean-Pierre Siutat der „L’Équipe“. Laut Ingo Weiss hat sich aber noch kein Verband konkret um die EM beworben – auch der deutsche nicht. „Wir haben den Ukrainern aber versichert, dass wir ihnen helfen werden, wo wir nur können“, sagt der DBB-Präsident.

Der Präsident des ukrainischen Basketball-Verbands, Alexander Wolkow, hatte die Reise nach München gestern nicht angetreten. Der frühere Sportminister saß bis vor kurzem für die Partei des gestürzten Präsidenten Viktor Janukowitsch im Parlament. Inzwischen hat wohl auch Wolkow Dringenderes zu tun, als sich um ein Basketball-Turnier zu kümmern.

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