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Sport: Bayer fängt Borussia ab

Leverkusen schlägt Dortmund und bringt sich für das internationale Geschäft in Position

Leverkusen. Wenn Feiertag ist in Leverkusen, küsst Reiner Calmund jeden, den er greifen kann. Am Samstag nach dem 3:0 über Borussia Dortmund war so ein Tag. Als habe er eine Injektion erhalten, strömten Gleichmut und der Drang zur Fürsorge durch die Adern des Leverkusener Managers. „Hast du dich um die Dortmunder gekümmert“, fragte er Sabrina Völler, die Frau des deutschen Teamchefs Rudi Völler, im Treppenhaus der Bayarena. Sie hatte. Sogar Karin Sammer, die Ehefrau des Dortmunder Trainers Matthias Sammer, wurde von den Gesandten der Calmundschen Heilsarmee betreut. „Prima“, hauchte Calmund und verteilte seine unwiderstehlichen Bussis an Frau Völler.

Sanft wirkte Koloss Calmund in diesen Minuten nach dem Erfolg über den direkten Mitkonkurrenten im Kampf um einen Uefa-Cup-Platz. An mehr wolle er jetzt wirklich nicht denken, sagte der Mann, der als „Blumenbeauftragter“ sogar dem Dortmunder Stefan Reuter für sein 500. Bundesligaspiel einen Strauß überreicht hatte. Calmund und seine Mannschaft wollen lieber festhalten, was sie jetzt fast sicher in Händen halten. Den Platz im Uefa-Cup bei sieben Punkten Vorsprung auf ihren Verfolger Dortmund. „Wir haben früher ab und zu mal einen Vorsprung verspielt“, sagte Calmund. Die Hoffnung, den VfB Stuttgart oder Bayern München von den Rängen zu verdrängen, die zu einer Teilnahme an der Champions League berechtigen, erscheint dem Leverkusener Macher viel zu gefährlich.

Ein paar Mitarbeiter aus dem weiteren Betreuerstab der Bayer AG, Abteilung Fußball, die nicht zitiert werden wollen, grummelten kurz. Diese Schwaben hätten doch ein verdammtes Glück, weil der VfB in Hannover knapp gewann. „Ich kann nicht beeinflussen wie Stuttgart spielt, aber wie wir spielen“, sagte Leverkusens Trainer Klaus Augenthaler nach den Toren von Babic, Franca, Berbatows Elfmeter und der glanzvollen Vorstellung gegen den BVB, den sie teilweise vorgeführt hatten. Fest stehe, sie hätten ihr bestes Saisonspiel abgeliefert und seien einfach gut drauf.

„Wenn nur die Schwächephase am Anfang der Saison nicht gewesen wäre“, sagte der Leverkusener Kapitän Jens Nowotny. Es ist eine Art ständiges Grundmisstrauen, das durch die Gänge der Bayarena weht. Die gebrannten Kinder vom Rhein scheuen vollmundige Kampfansagen. Sie hätten nichts dagegen, wenn die Stuttgarter mal verlieren, traue sich Torwart Jörg Butt zu sagen. Und Yildiray Bastürk hoffte nach seiner grandiosen Leistung beim 3:0, „dass wir am letzten Spieltag vielleicht doch ein Endspiel gegen Stuttgart um die Champions League bekommen“.

Wie unwiderstehlich die Mannen von Klaus Augenthaler derzeit Fußball spielen, bekamen die Dortmunder mit voller Wucht zu spüren. „Also, wenn ich mir einen Gegner in der Bundesliga aussuchen müsste, dann sicher nicht die Leverkusener“, orakelte der Dortmunder Trainer Matthias Sammer. Am Samstag hatte er keine andere Wahl und fühlte sich, als sei er „gegen eine Wand gelaufen“. Artig gratulierte er und klagte nur für einen kurzen Moment über die eigene Personalnot. Er hätte das Spiel gerne gesehen, wenn er alle Spieler an Bord gehabt hätte. Nach der Niederlage, die genauso gut hätte zum Debakel auswachsen können, verharrt der BVB im Zustand des Bangens. Keiner mag sich vorstellen, was passiert, wenn der schon jetzt mit 30 Millionen Euro verschuldete Klub aus Westfalen das internationale Geschäft verpasst. Das käme der Selbstqual gleich. „Es war ein Rückschlag für uns“, meinte der Dortmunder Stürmer Jan Koller kleinlaut und frustriert.

Im Lager der Schwarz-Gelben wollte trotz der erst in Leverkusen gestoppten Serie nicht die Spur von Zuversicht aufkommen. Nicht einmal der Besuch von Thomas Gottschalk in der Kabine hatte die Laune verbessern können. Der Entertainer lief im Trikot des Jubilars Stefan Reuter herum und ließ sich für irgendwelche Shows filmen. „Uns hat der Wille gefehlt, wir haben uns in unser Schicksal ergeben“, sagte Reuter.

Gerade das wollen die Leverkusener für sich selbst nun verhindern. Und mit dem Begriff Schicksal verbindet sich am Rhein unweigerlich der Gedanke, so oft noch kurz vor dem Ziel abgefangen worden zu sein. Vielleicht beschloss Klaus Augenthaler deshalb gleich kurz nach dem Abpfiff, dafür zu sorgen, „dass wir nicht abheben, sondern auf dem Boden bleiben“. Reiner Calmund fand das am Leverkusener Feiertag, als seine Heilsarmee ausschwärmte, völlig in Ordnung.

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