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Leverkusen

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Bayer Leverkusen: ... und immer jubeln die anderen

Auch in dieser Saison gilt wohl: Leverkusen spielt tollen Fußball, ohne etwas zu gewinnen. Ein Blick zurück auf Tränen und Tragödien.

Zweite Plätze haben bei Bayer Leverkusen lange Tradition. Erstmals zweiter Sieger wird der Klub 1968 in der Aufstiegsrunde zur Ersten Liga, wodurch die Leverkusener den Bundesliga-Aufstieg verpassen. Doch erst Mitte der Neunzigerjahre verdient sich der Klub den Ruf, immer ganz knapp an Trophäen und Titeln vorbeizuschrammen.

Die Zeit der Dramen beginnt mit Christoph Daum. Der Trainer übernimmt die Mannschaft 1996 mit der Empfehlung von je einer Meisterschaft mit Stuttgart und Besiktas Istanbul. Gleich in seiner ersten Saison führt Daum den Tabellenvierzehnten des Vorjahres auf Platz zwei. Höhepunkt ist ein 5:2-Heimsieg gegen Bayern München, Markus Feldhoff erzielt drei Tore. „Ich war beim Stand von 3:2 eigentlich schon kaputt und hatte dem Trainer das Signal zur Auswechslung gegeben“, erinnert sich der 35-Jährige heute. „Doch Christoph Daum hat mich weiterspielen lassen, und dann habe ich noch zwei Tore gemacht.“ Zwei Spieltage vor Saisonende bietet sich Leverkusen sogar die Chance auf die Meisterschaft, die Mannschaft liegt nur einen Punkt hinter Tabellenführer Bayern. Doch als es darauf ankommt, zeigt die Mannschaft zum ersten Mal Nerven: Beim Lokalrivalen 1. FC Köln verliert Bayer nach drei Toni-Polster-Toren 0:4. Bayern gewinnt gleichzeitig 4:2 gegen Stuttgart und wird Meister, Leverkusen ist Vize. Vizemeister. Es ist die beste Platzierung der Vereinsgeschichte, bedeutet den ersten Einzug in die Champions League – und ist gleichzeitig der Auftakt zu vier zweiten Plätzen in den kommenden sechs Bundesligajahren.

Nach der ersten Vizemeisterschaft landet Bayer in der folgenden Saison auf dem dritten Platz, aber das kann es ja wohl nicht sein. So konzentriert sich das Team um Jens Nowotny und Ulf Kirsten 1998/99 auf die Bundesliga, im Uefa-Cup und im DFB-Pokal kommt das schnelle Aus gegen die Glasgow Rangers und Hertha BSC im Elfmeterschießen. Die Berliner sind auch in der Bundesliga ein harter Gegner, sie werden am Ende Platz drei belegen. Leverkusen übernimmt am 11. Spieltag den zweiten Tabellenplatz, das Team von Christoph Daum kann sich viele Spieltage als Vizemeister fühlen. Am letzten Spieltag kommt Bayern München, dabei hat sich der Spielplangestalter wohl etwas gedacht. Mario Basler und Mehmet Scholl bringen die Bayern 2:0 in Führung, Ulf Kirsten gelingt zehn Minuten vor dem Ende der Anschlusstreffer. Es hätte also spannend werden können – wenn die Münchner nicht schon zwölf Punkte Vorsprung hätten und Bayer nicht schon als Zweiter feststünde. Es ist ein unspektakulärer, deutlicher und verdienter Vizemeistertitel.

Münch zeigte Leverkusen 1996 einmal das Siegergen – und nahm es mit zum FC Bayern

Auch in der anschließenden Saison liegt das Team lange auf dem zweiten Platz, am 27. Spieltag übernimmt es aber wieder die Führung. Die hat es auch nach dem 33. Spieltag, drei Punkte vor den Bayern, nur im Torverhältnis ist Daums Team um drei Treffer schlechter. Ein Punkt bei der Spielvereinigung Unterhaching, für die es um nichts mehr geht, reicht zum Titel. Michael Ballack beweist sich in diesem Spiel als echter Leverkusener, er lenkt nach zwanzig Minuten mit einer Art Grätschschritt unbedrängt den Ball ins Netz und bringt Unterhaching mit dem ersten Eigentor seiner Profikarriere in Führung. Bayers Profis, die Trainer Daum in der Saisonvorbereitung barfuß über Glasscherben hatte laufen lassen, um die mentale Stärke zu fördern, sind gelähmt, während es in München schon nach einer Viertelstunde 3:0 gegen Werder Bremen steht. Nebenan, in Unterhaching, braucht die Mannschaft mit Jens Nowotny, Michael Ballack, Emerson, Bernd Schneider, Zé Roberto, Ulf Kirsten und Oliver Neuville nur den Ausgleich, um Meister zu werden. Aber es geht gar nichts, nicht einmal gute Torchancen kann sich Bayer erarbeiten. Zwanzig Minuten vor dem Ende köpft Markus Oberleitner das 2:0, Bayern gewinnt parallel 3:1. Michael Ballack wird immer Leverkusener bleiben: Ihm gelingen in seiner Karriere noch neun weitere große Vizetitel.

Zwei legendäre Wochen im Mai 2002 braucht die Leverkusener Mannschaft um Michael Ballack, Lucio, Zé Roberto und Bernd Schneider, um Bayers Ruf des ewigen Zweiten zu zementieren. Wochenlang steht die Mannschaft von Klaus Toppmöller an der Tabellenspitze der Bundesliga und begeistert mit brillantem Fußball, ehe sie am 32. und 33. Spieltag die Meisterschaft durch ein 1:2 gegen Bremen und ein 0:1 in Nürnberg an Dortmund verschenkt. Eine Woche später verliert Bayer auch das DFB-Pokalfinale 2:4 gegen Schalke – aber immer noch winkt der ganz große Preis: der Champions-League-Pokal. Nachdem die Leverkusener unter anderem den FC Liverpool, Arsenal, Manchester United und Juventus Turin hinter sich gelassen haben, stehen sie im Finale gegen die Galaktischen von Real Madrid um Zinedine Zidane, Figo und Raúl. Doch auch dieses Finale verliert Bayer nach großem Kampf in Glasgow 1:2, auch der dritte Titel innerhalb weniger Tage ist verpasst.

Trotz all der Tiefschläge und zweiten Plätze hat sich auch schon gezeigt, dass die Leverkusener Spieler in entscheidenden Momenten die Nerven bewahren können. 1988 verliert Bayer das Hinspiel im Uefa-Pokal-Finale 0:3 bei Espanyol Barcelona, gewinnt das Rückspiel aber 3:0 und triumphiert schließlich im Elfmeterschießen. 1993 siegt der Verein im DFB-Pokalendspiel gegen die Amateure von Hertha BSC durch ein spätes Tor von Ulf Kirsten 1:0, und 1994 gewinnt Bayer das DFB-Hallenmasters – drei Titel, die dem Verein keiner mehr nehmen kann. Doch vor allem der 18. Mai 1996 ist Bayer-Fans im Gedächtnis geblieben: Markus Münch rettet dem Klub in letzter Minute mit seinem 1:1 gegen Kaiserslautern den Klassenerhalt. Der Gegner steigt ab, Weltmeister Andreas Brehme heult sich vor laufenden Kameras an der Schulter von Rudi Völler aus. Markus Münch ist aber nur eine Leihgabe von den Bayern. Nach der Saison geht er zurück und nimmt das SiegerGen und den Willen zu Last-Minute-Toren wieder mit. Doch sein Treffer ebnet den Weg für weitere Bundesligajahre, Christoph Daum und viele, viele zweite Plätze, die noch folgen sollten.

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