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© ddp

Bayern München: Hämmern im Leistungszentrum

"Ich freue mich unheimlich": Jürgen Klinsmann gibt seine erste Pressekonferenz als Trainer des FC Bayern. Die Fotografen bestreiken die Veranstaltung.

Auf den Stufen zum Haupteingang der Bayern-Geschäftsstelle sitzen vier Bauarbeiter und machen Brotzeit. 100 Meter weiter steht Jürgen Klinsmann auf dem Trainingsplatz, mit einer Mütze tief ins Gesicht gezogen. Würde er nicht ab und zu auf Spanisch und Schwäbisch den Spielern etwas zurufen, man wüsste gar nicht, dass es Jürgen Klinsmann ist. Er ist im Moment so etwas wie der wichtigste Baustellenleiter der Republik, und dafür gibt er sich relativ gelassen. „Ich freue mich unheimlich auf diese Arbeit, und es ist eine Ehre, für diesen Verein tätig sein zu dürfen“, sagt er später, bei seiner ersten Pressekonferenz als Trainer des FC Bayern, zu der er eine offene Trainingsjacke mit seinen Initialen trägt.

Er lächelt, als sein Blick über die gefüllten Reihen schweift, und er lächelt immer noch, als gut zwei Dutzend Fotografen unter Protest den Saal verlassen. Bevor alles los ging, hatte Klinsmann nämlich darum gebeten, nur in den ersten Minuten von ihm Fotos zu machen – wegen des irritierenden Lärms und weil Klinsmann „a bisserl allergisch“ gegen Blitzlicht sei, wie es hieß. Dann gehen wir eben ganz, dachten sich die Fotografen, und verließen den Raum unter Protest. Von der Pressekonferenz gibt es deshalb auch keine Bilder – die Nachrichtenagenturen sendeten gestern aus München nur Fotos, die die Fotografen beim Verlassen der Pressekonferenz zeigen. Der erste Eklat mit den Münchner Medien gleich in der ersten Trainingswoche – Klinsmann lächelte ihn in den folgenden Minuten einfach weg.

Er hat sowieso erst einmal anderes zu tun. Denn dass an der Säbener Straße zurzeit so viele Bauarbeiter herumlaufen und „hier und da noch ein bisschen gebohrt und gehämmert wird“, wie er sagt, das ist zu einem großen Teil sein Verdienst. Klinsmann persönlich hatte diese Umbauten angeregt. Und plötzlich wird der Ort nun auch nicht mehr „die Geschäftsstelle“ genannt oder einfach nur „die Säbener“ - der Ort heißt nur noch „Leistungszentrum“. Momentan verbringen die Spieler hier einen Acht-Stunden-Tag, wo es vor und nach den beiden Trainingseinheiten immer etwas zu tun gibt. Klinsmann will viel mit den Spielern sprechen, mit jedem einzelnen, er will ihnen Mentaltraining anbieten, falls sie das möchten, denn wenn sich Spieler nicht auch im Kopf änderten, dann helfe auch das ganze Training nichts. Außerdem könne man hier Filme anschauen, einen Wohlfühlbereich gebe es auch. Bereits sichtbar ist die neue Dachterrasse mit Buddha-Statuen. Man wagt sich gar nicht vorzustellen, wie es jetzt innen aussieht. Das alles hört sich für ein Leistungszentrum auf jeden Fall irgendwie komisch an.

„Wir haben hier eine perfekte Oase für die Spieler geschaffen“, sagte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge. Er und Manager Uli Hoeneß zeigten sich begeistert von dem, was da erschaffen worden ist. Man könne sich nur verbessern, wenn man sich verändert, heißt es in dieser Woche beim FC Bayern. Jürgen Klinsmann wirkt offenbar schon.

In Wahrheit gibt es diese Baustelle an der Säbener Straße, weil Jürgen Klinsmann gewappnet sein will für all die anderen Baustellen, die es bald geben wird, und dafür hat er gerne eine familiäre Atmosphäre. Im Moment geht es noch sehr idyllisch zu, der 43-Jährige hat im Moment zwölf Spieler, mit denen er reden und die er testen kann. Doch wenn stufenweise die Helden, die Traurigen und die Verletzten der Fußball-EM zurückkommen, ist im Kampf um die Stammplätze seine Menschenkenntnis gefragt. Klinsmann zählt die Baustellen selbst auf: Tim Borowski kann jetzt den entscheidenden Schritt seiner Karriere machen, bei Toni Kroos wartet jeder drauf, dass er bald alles zeigt, was er kann, José Ernesto Sosa will auch eine Perspektive. Und anscheinend sollen auch noch Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski gehalten werden (siehe Artikel rechts).

Klinsmann sagt über sich selbst, am meisten freue er sich auf die tägliche Arbeit. Es ist ja seine erste Station als Vereinstrainer. Klinsmann ist noch unverbraucht und voller Euphorie, das ist ihm anzumerken. Seine Ziele scheinen aber erst einmal noch nicht über die kommende Saison hinaus zu gehen. Die beiden nationalen Titel, klar, und in der Champions League wolle man „nach Möglichkeit bis zum Ende dabei sein“. Wie soll er auch wissen, wie lange er bleibt? Im Moment klebt ja sozusagen noch nicht einmal die Tapete an der Wand. Und neue Pokale stehen auch noch keine davor.

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