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Von null auf zwölf Millionen. Ivica Olic kam ablösefrei nach München, inzwischen hat er seinen Marktwert erheblich gesteigert.

© p-a/dpa

Bayern München: Ivica Olic: Der Abräumer

Ivica Olic erhöht Bayerns Chancen auf das Triple, weil er immer alles gibt. Bei Bayern sind alle voll des Lobes über den treffsicheren Kroaten.

Die Münchner Fußball-Arena in Fröttmaning ist ein stabiler Bau. 120 000 Kubikmeter Beton und 22 000 Tonnen Stahl wurden verbaut. Kaum vorstellbar, dass ein einzelner Mensch dieses Gebilde zum Wackeln bringen könnte, zumal noch ein mäßig groß gewachsener. Doch als der Mann mit der Nummer 11 auf dem Bayern-Trikot in der 92. Minute gegen Manchester United dem Verteidiger Patrice Evra den Ball vom Fuß stibitzte, Torwart Edwin van der Sar mit einem Täuschungsmanöver in die eine und den Ball in die andere Ecke des Tores beförderte, da brach ein Jubelsturm los, wie ihn diese Arena noch nicht erlebt hat. Die jahrzehntelang als Operetten-Publikum verhöhnten Münchner Fans schrien, tobten und hüpften, dass der Beton bebte. Schuld war: Ivica Olic, 1,82 Meter groß.

Das 2:1 im Viertelfinal-Hinspiel gegen ManU war nur einer von sehr vielen sehr wichtigen Treffern in seiner ersten Saison beim FC Bayern, aber es war wohl der Treffer, über den auch Olic am meisten jubelte. Der Kroate riss sich das Trikot vom Leib, entblößte einen beeindruckenden Waschbrettbauch und durfte nach dem Schlusspfiff sogar den Ball als Souvenir mitnehmen. Am Tag danach meldete er stolz, das Spielgerät habe schon einen Ehrenplatz zu Hause im Regal bekommen.

„Ich dachte, dass ich beim 4:1 in Turin mein wichtigstes Tor geschossen habe“, sagte der Kroate nach der Partie. Klar, auch das war ein immens wichtiges Tor, dieses 2:1 beim „Wunder von Turin“. Fast so wichtig wie der Siegtreffer eine Woche zuvor gegen Maccabi Haifa, der wohl seinem Trainer Louis van Gaal den Job rettete. Unbezahlbar auch der Anschlusstreffer im Rückspiel in Manchester, als die Münchner nach 0:3-Rückstand ähnlich grandios unter die Räder zu geraten drohten wie vor Jahresfrist in Barcelona. Erst Olics Kunstschuss aus spitzem Winkel kurz vor der Pause ließ die Partie zugunsten der Bayern kippen. Der Hattrick gegen Olympique Lyon im Halbfinale war nur noch folgerichtig und erhöhte die Bilanz von Mister Europacup auf sieben Volltreffer. Im DFB-Pokal blieb ihm bislang ein Erfolgserlebnis verwehrt, was er im Finale am Samstag gegen Werder Bremen nachholen will. In 39 Pflichtspielen hat Olic bislang 18 Tore erzielt und acht vorbereitet – keine schlechte Bilanz für einen als Ergänzungsstürmer zum 35-Millionen-Euro- Mann Mario Gomez verpflichteten Kicker, der keinen einzigen Cent Ablöse gekostet hat.

Bei Bayern sind alle voll des Lobes über den treffsicheren Kroaten: „Ivica Olic ist immer scharf. Er hat die Mentalität, alles zu geben, bis zum Schluss. Das ist für einen Trainer wichtig zu wissen. Man muss immer mit ihm rechnen“, sagt Louis van Gaal. Franz Beckenbauer meint: „Er ist ein raffinierter Spieler. Wie er dem Evra den Ball weggestohlen hat, das kann nur so ein gewitzter Spieler.“ Und der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge sagt anerkennend: „Wir wissen, was wir an ihm haben.“ Olics Marktwert liegt mittlerweile bei zwölf Millionen Euro. Zu einer angeblichen Offerte des FC Liverpool sagte Sportdirektor Christian Nerlinger: „Wir denken nicht mal im Ansatz daran, ihn abzugeben.“ Und Olic selbst sagt, er könne sich vorstellen, nach Stationen bei Hertha sowie in Zagreb, Moskau und Hamburg seine Karriere beim FC Bayern zu beenden. Sein Vertrag läuft bis 2012.

Dabei gab es auch Zeiten in dieser Saison, als es nicht so rosig für ihn aussah. Wer sich mit Konkurrenten wie Mario Gomez, Miroslav Klose und auch Luca Toni um einen einzigen Platz balgt, gewinnt nicht immer. Olic sagt: „Sicher war ich nicht glücklich auf der Bank. Aber ich habe immer gedacht: Ich bin nicht wichtig, das Wichtigste ist die Mannschaft. Wenn wir gewinnen und gut spielen, muss ich das akzeptieren.“ Diese professionelle, demütige Arbeitshaltung imponierte van Gaal, ebenso wie Olics bescheidenes, komplett allürenfreies Auftreten und sein bedingungsloser Einsatz auf dem Platz, der sich für jedermann sichtbar von dem eines Mario Gomez unterscheidet.

Olic legt rund elf Kilometer pro Partie zurück – ein Wert, den ansatzweise nur sein mittlerweile kongenialer Sturmpartner Thomas Müller erreicht, noch so eine Pferdelunge im Bayern-Kader. Beim Gegner gefürchtet ist sein terrierhaftes Nachsetzen, das zu zahllosen Ballgewinnen führte. Olic, den sie im Mannschaftskreis „Ivi“ oder „das Tier“ nennen, sagt dazu: „Ich denke, das ist angeboren. Ich habe in meiner ganzen Karriere immer so gespielt, das war schon immer meine Stärke und dafür bin ich auch bekannt geworden. Im Moment gelingt das noch sehr gut, und ich hoffe, dass ich noch lange so weiterspielen kann.“ Selbst wenn van Gaal mal trainingsfrei gibt, kann der Kroate, der als Hobbys Tennis und Schlafen angibt, nur schwer ruhig sitzen: „Dass wir zwei freie Tage hatten, war toll, und das haben wir uns auch verdient“, sagte Olic unlängst, „aber ich habe trotzdem etwas gemacht. Ich brauche das einfach, sonst fühle ich mich nicht gut.“

Nach dem ersten deutschen und dem insgesamt sechsten nationalen Meistertitel (drei mit ZSKA Moskau, zwei mit Dinamo Zagreb) und den noch anstehenden Endspielen mit Bayern hat der 30-Jährige dann aber mal länger Pause – mit seinem Heimatland Kroatien, wo er gerade zum dritten Mal zum Fußballer des Jahres gewählt wurde, verpasste der 71-malige Nationalspieler die WM: „Ich bin traurig, denn es wäre wohl die letzte Chance für mich gewesen, bei einer WM zu spielen.“ Kicken wird er natürlich trotzdem: „Ich verbringe viel Zeit mit meinen Kindern beim Fußballspielen. Täglich Fußball, das muss einfach sein.“

Für das DFB-Pokal-Finale hat er 40 Karten für seine Berliner Freunde geordert. Vor zwölf Jahren war er zur Hertha gewechselt, wurde zwar von Coach Jürgen Röber verschmäht, lernte dort aber seine Frau Natalie kennen, die drei Kinder in Berlin zur Welt brachte. Die Tochter heißt Lara und die Söhne tatsächlich Luka und Toni (eigentlich Antonio) – und kommen offenbar ganz nach dem Vater: „Beide haben das Bayern-Trikot mit der Nummer elf in allen Farben“, erzählt Olic, „und beide wollen auch immer Tore machen.“

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