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Hitzfeld

© AFP

Bayern München: Ottmar Hitzfeld - ein halber Abschied

Gegen Saloniki waren nochmal die Bayern zu sehen, die am Anfang der Saison die Fans verzaubert haben. Doch trotz des klaren 6:0-Siegs im Uefa-Cup deutet Trainer Ottmar Hitzfeld seinen Weggang an.

Oliver Kahn ist mal wieder früher gegangen. Das 6:0 des FC Bayern München gegen Aris Saloniki im letzten Uefa-Cup-Gruppenspiel war keine zwanzig Minuten alt, als die Tür zwischen Kabinentrakt und Mixed Zone in der Münchner Arena aufging. Schwungvoll heraus trat Oliver Kahn, er stapfte mit derart großen Schritten zum Ausgang, als wolle er einen neuen Schrittlängen-Weltrekord aufstellen. Ein paar Reporter zuckten hoffnungsvoll mit ihren Aufnahmegeräten, doch Oliver Kahn rief ihnen entgegen, schneller schreitend: „Ich habe ü-ber-haupt keine Zeit.“ Doch das war egal an diesem Abend: Kahns Eile wird diesmal keine Konsequenzen haben. Erstens, weil Manager Uli Hoeneß Spieler, die keine Zeit für die Presse haben, ohnehin besonders sympathisch findet, und zweitens, weil es noch viel interessantere Gesprächspartner gab am Mittwochabend. Willy Sagnol zum Beispiel, oder auch Ottmar Hitzfeld.

Willy Sagnol etwa nahm sich richtig viel Zeit zum Reden, er beantwortete jede Frage geduldig, erst auf französisch, dann auf deutsch. Das sei heute sicherlich nicht sein letztes Spiel für den FC Bayern gewesen, sagte er, man habe eine Lösung für die Probleme gefunden. Trainer Hitzfeld erklärte sogar, dass er in der Rückrunde wieder verstärkt auf den lange verletzten Sagnol baue. „Wenn er die nötige Fitness hat, ist er ein wichtiger Spieler für unsere Mannschaft“, sagte er. „Wichtig“, das war zugleich das Stichwort des Abends: 90 Minuten, sechs Tore gegen Saloniki und der Gruppensieg im Uefa-Cup genügten dem FC Bayern München, um auf einmal irgendwie Lösungen für alle Probleme zu finden. Sogar für Ottmar Hitzfeld, zuletzt halb Erfolgstrainer, halb Problemtrainer. „Die letzten Wochen waren hart“, sagte Hitzfeld nun am späten Mittwochabend, offensichtlich erleichtert, dass er dabei in der Vergangenheit sprechen konnte.

So ist das im Fußball: Sechs Tore in einem Spiel, und all das, was bis dahin schlecht war, ist mit einem Mal vergessen. Ottmar Hitzfeld wird von den Bayern jetzt wieder als Erfolgstrainer gelobt und dazu gibt es noch Schelte für die Medien. Zum Beispiel „das Theater Kahn, Ribéry, Toni“, sagte Manager Uli Hoeneß, „das war gar nichts, aber da wurde ein Skandal gemacht, das ist Wahnsinn“. Was die allgemein übliche Überspitzung durch den Boulevard angeht, hatte Hoeneß wohl Recht, dass er aber das Interview von Oliver Kahn mit dem Fachblatt „kicker“ als „das harmloseste Interview überhaupt“ bezeichnete, das überraschte dann schon – schließlich war das Interview ja einer der offiziell genannten Gründe für Kahns Suspendierung.

Für Trainer Ottmar Hitzfeld aber ist das ohnehin schon vergessen, Vergangenheit; viel wichtiger war am Mittwochabend seine Zukunft. Er habe seine Entscheidung getroffen, sagte er, und er wolle noch „ein halbes Jahr Vollgas geben“. Ob das bedeute, dass er danach aufhöre? Ottmar Hitzfeld antwortete: „Ich werde keine Tendenz bekanntgeben. Ich habe extra nur für ein Jahr verlängert, um frei entscheiden zu können.“ Es bleibt also dabei: Konkrete Äußerungen zu Hitzfelds Zukunft gibt es erst im Januar. Mit seiner leichten Andeutung aber nutzte der Trainer geschickt die Gunst des hohen Sieges, um zu demonstrieren, dass es zuallererst seine Entscheidung ist, ob der FC Bayern einen neuen Trainer sucht oder nicht. Zumal auch Hitzfelds Assistent Michael Henke überrascht war vom plötzlichen und merkwürdigen Vorstoß seines Chefs: „Ich weiß, dass er eine Tendenz hat“, sagte Henke, „aber ich weiß nicht, ob er sich entschieden hat.“ Nun: Er hat. Ottmar Hitzfeld wird, so jedenfalls war dieser Abend zu interpretieren, bis Sommer 2008 Trainer des FC Bayern bleiben – und sich dann verabschieden. Dem Schweizer Magazin „L’Illustre“ sagte Hitzfeld: „Die Arbeit als Schweizer Nationaltrainer hat mich schon immer interessiert. Die Bundesliga ist nicht alles.“

Und während überall gefragt und geantwortet und interpretiert und über Problemlösungen gesprochen wurde, kam auch Franck Ribéry aus der Kabine. Er ging vorbei am vierfachen Torschützen Luca Toni, der von Kameras und Mikrofonen umringt war und sagte: „Vier Tore in einem Spiel habe ich seit meiner Kindheit nicht mehr gemacht. Das ist die beste Art und Weise, das Jahr zu beenden.“ Ribéry hatte das gehört und strahlte wie jemand, der gerade im Lotto gewonnen hat, dann drehte er sich um und rief: „Eeeh, Luca Tonii“, und dann lachte er wieder.

Vielleicht war ja das sogar die wichtigste Nachricht für den FC Bayern an diesem Abend: Dass Franck Ribéry der Kälte trotzte, dass er sich wohl fühlte, und, ja: Dass er wieder Lust hat auf Spaß. Weil nämlich in Wahrheit nur davon der sportliche Erfolg des FC Bayern abhängt, viel mehr als von Willy Sagnol, und mehr auch als von Ottmar Hitzfeld.

Michael Neudecker[München]

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