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Sport: Bayern rettet sich

Trotz eines erneuten Fehlers von Oliver Kahn bleibt München nach dem 2:2 gegen Stuttgart Tabellenführer

Die vaterländische Verbundenheit spielte keine Rolle in diesem Moment, Kevin Kuranyi hatte sich an Michael Ballack festgekrallt und dabei so böse geschaut, als wolle er seinen Kollegen auf der Stelle zerkratzen. Ballack wehrte sich beherzt, so dass man sich kurzzeitig um die Zukunft des Projektes WM 2006 ernsthaft sorgen musste. Folgerichtig kündigte Tribünengast und Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff kurz nach dem Abpfiff an, „ich werde gleich nachschauen, ob sich die beiden wieder vertragen haben“. Der gegenseitige Beweis mäßiger Zuneigung zwischen den beiden Nationalspielern versinnbildlichte eine leidenschaftlich geführte Partie zwischen Bayern München und dem VfB Stuttgart. Ihr Ausgang war gerecht, wiewohl glücklich aus Münchner Sicht: Erst eine Minute vor Schluss erzielte der eingewechselte Paolo Guerrero das 2:2, was den Bayern das Überwintern an der Tabellenspitze garantiert. „Die Herbstmeisterschaft war eine schwere Geburt, aber die Mannschaft hat tollen Charakter und große Moral bewiesen“, sagte Münchens Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge.

„Hier besser aufzutreten als zuletzt im Pokal, war unsere erste Zielsetzung“, sagte Stuttgarts Trainer Matthias Sammer. Dies war seiner Elf eindrucksvoll gelungen: Dass den Münchnern jene Mannschaft gegenüberstand, die kürzlich an selber Stelle mit 0:3 untergegangen war, ließ sich allenfalls an den Trikots erkennen. Die Schwaben spielten von Beginn an aggressiv und gingen nach einer halben Stunde keineswegs unverdient in Führung: Silvio Meißner hatte den Ball nach einem Eckstoß aus kurzer Distanz über die Linie gedrückt.

Den Münchnern war die strapaziöse Woche mit dem Trip nach Amsterdam anzumerken. „Wir waren nicht ganz so frisch“, sagte Bayerns Trainer Felix Magath, „in der zweiten Halbzeit ist es ein bisschen besser geworden, aber richtig zwingend waren wir da zunächst auch nicht.“ Während jene erste Münchner Drangperiode nur eine Chance durch Ballack hervorbrachte, stießen die Stuttgarter konsequent in die sich bietenden Lücken. So hätte Kuranyi schon nach einer knappen Stunde erhöhen können, doch zum Torjubel konnte er erst fünf Minuten später ansetzen – nach einem schweren Fehler von Oliver Kahn. Bayerns Torwart hatte einen harten, aber nicht allzu platzierten Schuss Cacaus von der Brust abprallen lassen, Kuranyi brauchte nur noch einzuschieben. Der neuerliche Fehlgriff sah aus wie eine Blaupause jenes Schnitzers, der Kahn im WM-Finale 2002 unterlaufen war. „Ich muss mir noch mal im Fernsehen anschauen, ob der Ball geflattert hat“, sagte Bierhoff in dem Bemühen, eine neue Episode der Torwartdiskussion zu vermeiden. Diplomatisch fügte er an: „Ich freue mich, dass Kevin das Tor gemacht hat.“ Matthias Sammers Freude dagegen war empfindlich getrübt. Nachdem Claudio Pizarro zum 1:2 getroffen hatte, wurde Stuttgarts Regisseur Alexander Hleb von Owen Hargreaves umgerissen. „Das war dunkelgelb bis hellrot“, sagte Sammer und empfand die Szene als ausschlaggebend für den weiteren Spielverlauf: „Er wäre in dieser Situation für uns der entscheidende Mann gewesen.“ Stattdessen musste Hleb verletzt vom Platz, und die Bayern bäumten sich zu einer finalen Energieleistung auf, die Guerrero mit seinem Abstaubertor abschloss.

Nur Ballack war nicht ganz zufrieden. „Er ist ein junger Spieler, und auch wenn er von den Medien hoch gelobt wird, muss er auf dem Boden bleiben“, ließ er dem Kollegen Kuranyi in scharfem Ton ausrichten. In der nächsten Woche werden sich die beiden beim DFB-Trip nach Asien wiedersehen. Vielleicht hat die vorweihnachtliche Friedfertigkeit bis dahin auch Michael Ballack besänftigt.

Daniel Pontzen[München]

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