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Dirk Bauermann, 54, trifft heute als Trainer des Bundesliga-Aufsteigers FC Bayern München in der Arena am Ostbahnhof auf Alba Berlin (20 Uhr, live bei Sport 1). Zuvor war er mit Leverkusen und Bamberg neunmal deutscher Basketballmeister. Bis vergangenen Herbst betreute er auch die Nationalmannschaft. Gerade ist sein Buch „Mission Erfolg“ erschienen (Herbig-Verlag, 19,99 Euro). Foto: dpa

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Bayern-Trainer Dirk Bauermann im Interview: „Sportlich sind Alba und wir nah beieinander“

Dirk Bauermann über das Basketball-Projekt Bayern München, kritische Fragen von Präsident Uli Hoeneß – und Parallelen zu Eiskunstläuferin Katarina Witt.

Herr Bauermann, Ihr kürzlich erschienenes Buch beginnt mit der Kapitelüberschrift: „Ich bin ein narbenübersätes Schlachtross.“ Wie viele Narben sind in dieser ersten Bundesliga-Saison mit dem FC Bayern bisher dazugekommen?

Jede Niederlage ist eine kleine Narbe, aber sie sind alle gut verheilt. Das sieht man auch an unseren Leistungen der letzten Wochen: Wir sind ständig die Tabelle hochgeklettert, liegen auf dem fünften Rang und sind auf einem guten Weg.

Trotzdem: Hatten Sie sich die Saison so kompliziert vorgestellt? Im Eurocup sind Sie sofort ausgeschieden, in der Bundesliga sah es zwischenzeitlich so aus, als könnten Sie die Play-offs verpassen.

Mir war schon vor Saisonbeginn klar, dass es für uns noch schwieriger als für die anderen Spitzenvereine sein würde, auswärts zu gewinnen. Alle unsere Auswärtsspiele waren ausverkauft, Bremerhaven hat unsere Partie – nicht die gegen Meister Bamberg oder gegen Alba! – extra in eine größere Halle nach Bremen verlegt. Alle waren beim ersten Spiel gegen uns besonders motiviert, das hat sicher mit dem Mythos FC Bayern zu tun.

In eigener Halle haben Sie nur einmal verloren, auswärts gab es hingegen zehn Niederlagen in 14 Spielen. Wurden Ihre Spieler davon überrascht, wie viel Abneigung dem FC Bayern überall entgegenschlägt?

Wir haben in Ulm erst in letzter Sekunde verloren, wir haben dreimal nach Verlängerung verloren, in Quakenbrück hatten wir eine Sechs-Punkte-Führung in der Verlängerung, aber wir waren eben nicht erfolgreich. Und wenn du in einer Medienstadt wie München arbeitest, wirst du täglich danach gefragt, dann entwickelt das eine Eigendynamik. Dann wird das zu einer Kopffrage – und nicht zu einer Qualitätsfrage.

Hat Bayern-Präsident Uli Hoeneß mal angerufen, um kritische Fragen zu stellen?

Wenn du eine unbefriedigende Phase hast, werden natürlich Fragen gestellt, das ist bei Alba Berlin oder in Bamberg nicht anders. Das geschieht aber eher durch die Medien als durch Vereinsverantwortliche. Im Verein ist man mit den Schwierigkeiten sehr positiv umgegangen. Manche Dinge sind im Basketball anders als im Fußball, daran muss man sich gewöhnen. Aber alle Verantwortlichen kennen sich im Profisport allerbestens aus und wissen, dass man auch Geduld braucht.

Inwiefern war es ein Faktor, dass das Projekt FC Bayern eine im deutschen Basketball abseits von Dirk Nowitzki bislang unbekannte mediale Aufmerksamkeit erfuhr?

Beim FC Bayern findet alles immer unterm Vergrößerungsglas statt. Am Anfang haben sich gerade unsere jungen deutschen Spieler damit schwer getan. Man muss sich eine dicke Haut angewöhnen, das war ein Gewöhnungsprozess.

Zuletzt haben Sie fünf Spiele hintereinander gewonnen. Was hat sich geändert?

Wir sind erst seit ungefähr sechs Wochen als Mannschaft stabil. Vorher gab es einige Rückschläge, die für eine neu zusammengestellte Mannschaft nur schwer zu verkraften sind, Je'Kel Foster und Robin Benzing waren beispielsweise verletzt. Und wir hatten nicht damit gerechnet, dass ein wichtiger Leistungsträger wie Sharrod Ford eine Woche vor Saisonbeginn aus privaten Gründen zurück in die USA geht, Ruben Boumtje-Boumtje musste seine Karriere beenden, auch Ben Hansbrough hat den Klub verlassen.

Die bislang einzige Heimniederlage haben Sie gegen Ihren heutigen Gegner Alba einstecken müssen. Wo sehen Sie das Basketball-Projekt FC Bayern momentan im Vergleich zu Alba Berlin?

Sportlich sind wir mittlerweile ziemlich nah beieinander: Alba ist Dritter, wir sind Fünfter. Perspektivisch werden Bayern und Alba über Jahre zu den besten drei Mannschaften der Liga gehören. Ob dann mal der eine oder der andere die Nase vorn hat, hängt von vielen Dingen ab.

Sie wollen langfristig in München arbeiten. Orientieren Sie sich beim Aufbau Ihres Programms an Alba und Bamberg? Oder an Real Madrid und FC Barcelona, die beide erfolgreiche Basketballteams unter dem Dach erfolgreicher Fußballklubs betreiben?

Wir gehen hier unseren eigenen Weg, wir müssen uns nichts abschauen. Lernen kann man immer von den anderen. Aber München ist anders als Berlin, München ist anders als Bamberg. Wir schielen nicht auf die anderen. Auch Real Madrid oder Barcelona sind nicht wirklich ein Beispiel für uns, weil die Basketballteams dort Zuschussgeschäfte sind. Beim FC Bayern muss Basketball aber eigenständig auf einem hohen Niveau existieren.

In Ihrem Buch schreiben Sie, jedes Team brauche einen eigenen Stempel. Wie soll dieser Stempel bei Bayern aussehen?

Wir müssen dahin kommen, die stärkste Verteidigung der Liga zu haben, da bin ich längst nicht zufrieden. Wir sind auf dem Weg, eine Mannschaft zu werden, die offensiv intelligent und effektiv ist, die als Team funktioniert, mit einer vernünftigen europäischen Spielkultur. In der jeder Spieler nicht nur mit, sondern auch für den anderen spielt.

Sie vergleichen in Ihrem Buch Ihr Leverkusener Meisterteam mit Muhammad Ali, Ihr Bamberger Meisterteam mit Mike Tyson – und den FC Bayern mit Katarina Witt. Das müssen Sie bitte erklären.

In Leverkusen haben wir sehr schnell gespielt und drei Jahre mehr als 100 Punkte im Schnitt gemacht. Unser Spiel war ästhetisch – so wie Ali geboxt hat. In Bamberg mussten wir mit geringen Mitteln erfolgreich sein, wir hatten eine sehr physische Spielweise. Deshalb Mike Tyson.

Und Katarina Witt?

Erstens hatte Katarina Witt natürlich Erfolg. Zweitens hatte sie eine Verbindung aus großer Disziplin, harter Arbeit – und Attraktivität. All das ist wichtig, niemand im Sport steht so sehr dafür wie Katarina Witt. Deswegen war ihr Endprodukt eben nicht nur erfolgreich, sondern auch attraktiv. Um diese Kombination geht es.

Das Gespräch führte Lars Spannagel.

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