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Louis van Gaal: Steht der Bayern-Trainer vor seiner Entlassung?

© AFP

Bayern weiter mit van Gaal?: Holländer in der Schwebe

Die Führung des FC Bayern berät über Alternativen zu Louis van Gaal und scheint dabei uneins. Erst sah alles nach Entlassung des Holländers aus, doch klar ist das nicht. Heute wird eine Entscheidung erwartet.

Mit seiner goldenen Limousine brauste Louis van Gaal um Punkt 9.38 Uhr in die Tiefgarage des FC Bayern. Besonders spitzfindige Menschen hätten dem Niederländer dabei überhöhte Geschwindigkeit unterstellen können. Schließlich war die Garageneinfahrt am Sonntagmorgen an der Säbener Straße längst gesäumt mit Pressevertretern und Schaulustigen – mit starrem Blick fuhr van Gaal rasant durch das enge Spalier. Alle wollten sehen, ob der General am Tag nach der schmerzlichen 1:3-Niederlage in Hannover überhaupt zum Training erscheinen würde. Ob er bereits entlassen sei. Ob er lediglich seine Sachen abholen würde. Van Gaal kam tatsächlich. Und blieb kurz.

Wie lange dieser Zustand anhalten wird, ist jedoch ungewiss. Der Sonntag brachte zumindest vordergründig wenig Erkenntnisgewinn: Nach halbstündigem Videostudium schickte Louis van Gaal seine Spieler planmäßig zur Mittagszeit zum Auslaufen, er selbst nahm daran wie gewohnt nicht teil, verfolgte vom großen Fenster seines Büros die Runden seiner Spieler. Schon nach 20 Minuten war Schluss, die Spieler duschten und fuhren davon. Rund 400 Schaulustige waren zur Säbener Straße gekommen – manche klatschten verhalten, andere wiesen die klatschenden Nebenleute zurecht, bis diese verstummten. Die Stimmung war leicht angespannt, doch weit davon entfernt, richtig zu kippen. Am Abend dann machten in München Gerüchte die Runde, van Gaal habe sich bereits von der Mannschaft verabschiedet. Das Team soll zwei Tage freibekommen haben – das deutet auf Veränderungen in den nächsten Tagen hin.

Interessanter dürfte indes sein, was am Sonntag im Haus von Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge besprochen wurde. An dem Treffen in Grünwald nahmen neben Rummenigge noch Präsident Uli Hoeneß und Finanzvorstand Karl Hopfner sowie Sportdirektor Christian Nerlinger teil. Sie wollten ohne Vertreter der Mannschaft über die missliche Lage diskutieren – und wohl abschließend entscheiden, ob sie van Gaal noch zutrauen, diese bislang so enttäuschende Saison halbwegs erfolgreich zu Ende zu führen. Mediendirektor Markus Hörwick deutete am Sonntagabend an, dass heute eine Entscheidung verkündet werden könnte.

Die peinliche Niederlage in Hannover, bei der die Bayern zeitweise auseinandergespielt wurden, hat im Klub große Ängste geweckt. Sollte die neuerliche Qualifikation für die Champions League, die bislang niemand so richtig in Frage gestellt hatte, tatsächlich frühzeitig misslingen? Und das ausgerechnet für jene Saison, in der das europäische Fußballfinale in München ausgetragen wird? Sämtliche Rückendeckung, die van Gaal bis dahin bei den Klub-Granden genossen hat, schien direkt nach dem Spiel dahin. Rummenigge sprach mit versteinerter Miene von „katastrophalen acht Tagen“ und analysierte „den absoluten Tiefpunkt der Saison“, was man gerade von Rummenigge in dieser Schärfe bislang nicht vernommen hatte. Hoeneß raunte den wartenden Journalisten lediglich ein vielsagendes „Wir müssen handeln und nicht reden“ zu. Viel Interpretationsspielraum lässt das nicht zu – im Gegenteil, die Rhetorik klang nach schnellen und vor allen Dingen eindeutigen Entscheidungen.

Ebenso klar dürfte sein, dass andere Entscheidungsträger im Verein ganz anders denken. Zurück in München soll es zu einem langen Gespräch zwischen Sportdirektor Christian Nerlinger und Kapitän Philipp Lahm gekommen sein. Nerlinger hatte sich während der letzten großen Krise im Herbst 2010 demonstrativ vor van Gaal gestellt. Lahm ließ nun immerhin verlauten: „Die Mannschaft steht zum Trainer. Wir haben ein gutes Verhältnis.“ Die Spieler würden den Weg mit van Gaal gerne weitergehen, Nerlinger würde das im Zweifelsfall wohl auch tun.

Die wichtigen Bosse haben ihre Daumen vermutlich eher gesenkt. Die sonntägliche Ruhe bedeutet für Louis van Gaal deshalb nicht, dass er auch heute Abend noch Trainer beim FC Bayern ist. Auch Jürgen Klinsmann hatte im April 2009 samstags gegen Schalke verloren und wurde erst am Montag darauf durch Jupp Heynckes ersetzt. Auch diesmal, sofern es tatsächlich zu einer Trennung kommen sollte, dürfte der Klub bestrebt sein, sogleich einen Nachfolger zu präsentieren.

Wer dies sein könnte, ist schwer zu prognostizieren. Zwar fällt immer wieder der Name von DFB-Sportdirektor Matthias Sammer, der immerhin den Vorteil für sich reklamieren kann, dass er nahe München ein Haus besitzt. Seine Reputation im Klub dürfte jedoch eher gering sein. Gleiches gilt für den früheren Hoffenheimer Ralf Rangnick, den es eher zum Hamburger SV oder VfL Wolfsburg ziehen dürfte als auf die Münchner Trainerbank. Möglich scheint hingegen eine Interimslösung bis zum Saisonende mit Mehmet Scholl und Hermann Gerland, die bereits zusammen die Amateure verantwortet haben. Als unwahrscheinlich gilt, dass die Bayern ausgerechnet den bisherigen Kotrainer und van-Gaal-Vertrauten Andris Jonker zum Chef befördern.

Van Gaals Chance könnte sein, dass die schnelle Suche nach einem geeigneten Nachfolger vorerst scheitert. Wie schwierig dieser Prozess werden würde, hatte der Trainer bereits vor dem 1:3 in Hannover genüsslich selbst prognostiziert. „Wer soll van Gaal nachfolgen?“, hatte er gefragt, „das ist eine schwierige Frage.“

Wirklich falsch liegen dürfte er damit nicht: Nach dem Klinsmann-Experiment hatten sich die Bayern-Bosse explizit einen echten Fußballlehrer gewünscht – ihre Wahl fiel deshalb auf van Gaal, der das Münchner Spiel grundlegend umkrempelte. Die Wahl des nächstbesten Fußballlehrers (etwa Rangnick) wäre deshalb ebenso schwierig wie ein weiteres Experiment mit einem überraschenden Namen (zum Beispiel dem früheren Bayern-Profi Thorsten Fink). Die Bayern-Bosse können sich jetzt keinen weiteren Fehlgriff leisten.

Die Bosse des FC Bayern München, soviel steht fest, müssen dennoch einen Impuls setzen – vor den immens wichtigen Spielen in der Bundesliga gegen den Hamburger SV sowie in der Champions League gegen Inter Mailand. Trauen sie Louis van Gaal diesen Impuls nicht mehr zu, könnte es bereits heute morgen ganz schnell gehen.

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