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Beachvolleyball: Sonne, Spaß, Finanzkrise

Beachvolleyball hat sich bei Fans und Sponsoren gut etabliert, auch das Fernsehen zeigt Interesse. Trotzdem müssen Turnierveranstalter und Spieler kämpfen.

Berlin - Katrin Holtwick hat schon etwas abgeschaltet. Der Wind bläst unangenehm in die Hütte an der Beachvolleyballanlage am Nordbahnhof, sie hat sich eine wärmende Trainingsjacke geholt, trotzdem ziehen sich die Statements der Funktionäre bei der Pressekonferenz zum Europa-Tour-Turnier am Berliner Hauptbahnhof in die Länge. Katrin Holtwick tuschelt mit ihrer Beachvolleyball-Partnerin Ilka Semmler, als sie plötzlich aufhorcht. Haben die Lautsprecher gerade einen leisen Schluchzer übertragen? Vorsichtig blickt sie nach links.

Dort steht der Organisator des Berliner Turniers und verdrückt tatsächlich ein paar Tränen. „Entschuldigung“, sagt Siegbert Brutschin, nachdem er sich wieder gesammelt hat. Der Anlass seiner Freudentränen dürfte Außenstehende erstaunen. „Es ist in 15 Jahren das erste Mal, das es ein TV-Interesse an der Veranstaltung gibt“, sagt der Turnierdirektor, und genau das hat ihn emotional aufgewühlt. So durften Katrin Holtwick und Ilka Semmler im ZDF-Morgenmagazin auftreten, zudem wird die ARD-Sportschau am Sonntag über die heutigen Finalspiele berichten. „Wenn ich denke, wie wir sonst um jede Fernsehminute kämpfen müssen“, sagt Siegbert Brutschin und wirkt immer noch mitgenommen. Nach dem gescheiterten Experiment mit dem Fernsehsender RTL in der Saison 2004/05 hatten sich alle anderen Sender aus unterschiedlichen Motiven zurückgehalten. Das neue Fernsehinteresse macht Siegbert Brutschin wieder Hoffnung, das Berliner Turnier auch im nächsten Jahr ausrichten zu können. Auch Funsportarten haben es schwer in diesen ernsten Zeiten.

„Wir haben eine Unterdeckung im sechsstelligen Bereich“, berichtet Hinnerk Femerling. Der Manager der Firma GSM, Rechteinhaber an der Europa-Tour, erklärt, dass in diesem Jahr jedes der fünf Turniere der Europaserie Verlust mache. Auch das in Berlin, das auf Vermittlung des Deutschen Volleyballverbandes zwar vom Senat finanziell unterstützt wird, aber weil es größer ist als die anderen Turniere, ebenfalls kein Geld verdient. Im Winter hat der Titelsponsor der Europatour nicht verlängert, ein neuer war in der Finanzkrise nicht aufzutreiben. Trotzdem wird die Europaserie auch in diesem Jahr in Gran Canaria, Baden bei Wien, Berlin, Blackpool und schließlich als Europameisterschaft in Sotschi gespielt. „Ich möchte mich bei unseren Aktionären bedanken, die das mittragen“, sagt Hinnerk Femerling, „sie hoffen, dass es ab 2011 wieder richtig gut wird.“

Die Chancen dafür stehen nicht schlecht. In nur 13 Jahren hat sich Beachvolleyball als Olympische Sportart etabliert. Gegenwärtig kämpfen in Lausanne sieben Sportarten, um 2016 ins olympische Programm aufgenommen zu werden. Andere, wie der Moderne Fünfkampf, müssen regelmäßig um den Verbleib bei Olympia zittern. Beachvolleyball aber ist seit Atlanta 1996 im Programm und zählt zu den stimmungsvollsten olympischen Veranstaltungen. In Peking animierten die Beachvolleyballer im Chaoyang Park das chinesische Publikum sogar, zu deutsch-österreichischer Disko-Musik zu tanzen.

„Beachvolleyball ist unser Zugpferd“, sagt Werner von Moltke, Präsident des Deutschen Volleyball-Verbandes, „es ist leichter, Sponsoren für Beachvolleyball zu finden als in der Halle.“ Die Geldgeber schmücken sich gerne mit dem Image von Spaß, Sonne und Lebenslust – wenn nicht gerade Finanzkrise ist. „Es werden von den Sponsoren keine Experimente mehr eingegangen“, hat von Moltke festgestellt. Wie viele Beachvolleyballer es in Deutschland gibt, kann der Verbandspräsident nicht sagen. Sie spielen, nicht in Vereinen organisiert, auf Freiplätzen oder privaten Anlagen. Weil nun auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen bis London 2012 wieder gesteigertes Interesse am Beachvolleyball gezeigt hat, prophezeit er der Sportart eine gute Zukunft. „In zehn Jahren wird Beachvolleyball Hallenvolleyball in der Aufmerksamkeit überholt haben“, sagt der DVV-Präsident.

Etwas mehr Aufmerksamkeit in der Gegenwart würde sich David Klemperer allerdings auch wünschen. Der Beachvolleyballprofi hat mit seinem Partner Eric Koreng gerade das erfolgreichste Jahr seiner Karriere hinter sich. Als Deutsche Meister und Olympiafünfte von Peking hofften beide im Winter, vermehrt Sponsoren für sich interessieren zu können. Doch es kam nichts Neues. So können „Klempeng“, wie sie ihre Fans auch nennen, mit Sponsoren- und Preisgeldern zwar Studium und Lebensunterhalt finanzieren. Übrig bleibt aufgrund der vielen Reisen und Hotelaufenthalte nicht viel. „Für 2007 musste ich keine Einkommenssteuer zahlen“, sagt Klemperer. Noch schwieriger wird es für weniger erfolgreiche Teams. „Manche übernachten wieder in der Turnhalle“, berichtet Klemperer. Und auch unter Sportlern scheint sich das Einkommensniveau von Beachvolleyballprofis herumgesprochen zu haben. Klemperer ist mit dem Kieler Handballnationalspieler Dominik Klein befreundet. Wenn die beiden in Kiel essen gehen, zahlt immer der Handballer. Klemperer erklärt: „Er weiß, dass er mehr verdient.“

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