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Wieder Sieger. Clemens Fritz (r. , gegen den Freiburger Daniel Williams) weist die besten Zweikampfwerte bei Werder auf.Foto: dpa

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Sport: Bedächtig an die Spitze

Wie Bremens neuer Kapitän Clemens Fritz sein Team nach oben führt – auch heute gegen Dortmund?

Es sollte ein Lob sein, aber es klingt wie eine Beleidigung. „Er ist einer, der gerne noch mal eine Sekunde nachdenkt, bevor er handelt“, sagt Werder Bremens Trainer Thomas Schaaf. Clemens Fritz ist also ein Bedächtiger, ein Grübler. Das mag im Wirtschaftsleben oder auch bei einer Partie Schach sehr gefragt sein – aber in einem schnelllebigen Metier wie der Fußball-Bundesliga?

Trainer Thomas Schaaf meint es trotzdem als Wertschätzung für seinen neuen Kapitän, der die Kurzzeit-Lösung Per Mertesacke beerbte. Der alte Kapitän, der im Sommer nach Kanada  abgewanderte Torsten Frings, hat seltener nachgedacht, bevor er etwas tat oder sagte. Fritz hingegen motzt nicht lautstark in der Öffentlichkeit herum, nur weil er Kapitän ist. „Ich will für die Mannschaft da sein, ich werde bestimmte Dinge ansprechen, aber ich werde meinen Charakter nicht ändern“, sagt Fritz. Mit seiner ruhigen Art hat Clemens Fritz die Bremer, die am Freitag den Meister Borussia Dortmund empfangen, auf Rang zwei der Liga geführt.

Bei Werder Bremen läuft es momentan tatsächlich gut. Der Erfolg fällt zusammen mit der Ernennung von Fritz zum Mannschaftsführer. Schnell war die Rede von flacheren Hierarchien als Erfolgsfaktor. Davon, dass der neue Kapitän für ein besseres Klima im Team sorge. Aber man sollte das nicht überbewerten, denn bei anhaltenden Erfolgen kommt bekanntlich selten schlechte Laune auf.

Man sollte eher darauf schauen, dass Fritz auch auf dem Platz ein Anführer geworden ist. Ein Statistik-Anführer dazu. Seitdem auch die Kilometerleistung erfasst wird, ist er eine Spitzenkraft in der Liga. Er rennt in fast jedem Spiel mehr als zwölf Kilometer. „Ich weiß nicht, was der vor der Saison genommen hat“, witzelte Werders Torhüter Tim Wiese.

Fritz rennt aber nicht mehr nur die rechte Außenlinie rauf und runter. Seit Saisonbeginn ist er mittendrin. Schon in der vergangenen Spielzeit musste der 30-Jährige ab und zu im defensiven Mittelfeld aushelfen. Damals war das aus der Not geboren. Der Trainer machte eine Tugend daraus und sagt nun: „Er ist in Topform, er hat an Souveränität gewonnen, das hilft ihm in seiner neuen Rolle.“ Der so Gelobte sagt, er fühle sich wohl im Zentrum. Dort gäbe es mehr Gestaltungsmöglichkeiten.

Clemens Fritz redet leise, aber bisweilen mit schelmischem Unterton. Er verhält sich absolut professionell und hat sich doch eine gewisse Distanz zu seinem Beruf bewahrt. Vor drei Jahren hat er eine Stiftung gegründet, die sich um die Belange bedürftiger Menschen in seiner Heimatstadt Erfurt kümmert.

Über Rot-Weiß Erfurt und den Karlsruher SC kam Clemens Fritz 2003 nach Leverkusen. Er setzte sich bei Bayer durch, stand auf dem Zettel des Bundestrainers. Dann brach er sich das Wadenbein und musste mehrmals operiert werden. 2006 wechselte Fritz nach Bremen. Dort stach er Patrick Owomoyela aus, wurde Nationalspieler, Vize-Europameister 2008 – und fiel danach in ein großes Loch.

All das, was zuvor so dynamisch aussah, wirkte plötzlich lethargisch, selbst wenn er sich noch so mühte. Fritz ließ sich oft überlaufen, er kam selten dazu, die Kollegen mit Flanken zu versorgen. Er brauchte lange, um aus dem Formtief herauszukommen. Doch nun spielt er in seiner neuen Rolle in der Zentrale so gut und so effektiv, dass man Torsten Frings nicht mehr sehr vermisst. Kein Werder-Spieler hat so gute Zweikampfwerte aufzuweisen wie Fritz. Genau der richtige Mann, um heute Dortmunds Jungstar Mario Götze zu stoppen. Werders derzeitigen Höhenflug will Clemens Fritz nicht überbewertet wissen: „Wir sind als Mannschaft zusammengerückt nach der schwierigen Vorsaison“, erklärt Werders neuer Leader. Und er formuliert sogar offensive Ziele. „Es muss unser Anspruch sein, wieder international zu spielen“, sagt er – nicht ohne vorher kurz darüber nachgedacht zu haben.

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