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Sport: Bedingt verantwortlich

Bayer Leverkusen verliert in Bochum 1:2 – und kein Spieler sucht die Schuld bei Trainer Klaus Toppmöller

Bochum. Der dicke Mann in Reihe 9, Platz 17, leistete sich nur einen kurzen Moment der Unbeherrschtheit. Als seine Mannschaft an diesem Nachmittag durch das zweite Tor des Bochumers Vahid Hashemian zum zweiten Mal in Rückstand geriet, beugte er sich kurz nach vorn, legte seine kahle Stirn auf das Eisengeländer und schloss für eine einzige Sekunde die Augen. Gleich darauf lehnte sich Reiner Calmund wieder zurück – und ertrug den Rest mannhaft.

Als das Spiel sechs Minuten später abgepfiffen war, hatten Calmunds Leverkusener schon wieder verloren, zum dritten Mal in diesem Jahr, zum vierten Mal in Folge. „Die Lage wird nicht besser“, sagte Bayers Manager Calmund nach der 1:2-Niederlage beim VfL Bochum. „Die wird immer dramatischer.“ Und sie könnte sich noch weiter zuspitzen: Wenn Borussia Mönchengladbach in anderthalb Wochen das Nachholspiel gegen den VfL Wolfsburg nicht verlieren sollte, stürzt Bayer sogar auf einen Abstiegsplatz.

Als das Spiel zu Ende war, drehte sich Klaus Toppmöller, der Trainer von Bayer Leverkusen, um und verschwand über die Treppe gleich hinter ihm in den Kabinentrakt. „Toppi ist bald arbeitslos“, sangen die Bochumer Fans. So wie es aussieht aber, wird der Trainer des Jahres 2002 noch eine weitere Chance bekommen. „Das muss der Verein mit sich selbst ausmachen“, sagte Toppmöller, der die Diskussion um seinen Arbeitsplatz als „zum Teil unter der Gürtellinie" empfand. „Ich will kämpfen, ich will weitermachen.“ Am Sonntag und/oder am Montag werden die Entscheidungsträger des Vereins die Lage analysieren – unter Einbeziehung Toppmöllers, wie Manager Calmund ankündigte. Dass als Ergebnis dieser Analyse die Entlassung des Trainers steht, schloss Bayers Manager aus. „Man muss fairerweise sagen: Klaus Toppmöller ist an dieser Niederlage überhaupt nicht schuld“, sagte Calmund. Ihn für die neuerliche Pleite verantwortlich zu machen, „das wäre billig und nicht in Ordnung“.

Toppmöller hat immer noch einige Fürsprecher. Peter Neururer, der Trainer des VfL Bochum, bezeichnete die Diskussion um Bayers Trainer als „pervers, dass er nach drei Spielen in Frage gestellt wird, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen“. Und Zoltan Sebescen verkündete im Namen der Bayer-Mannschaft: „Wir würden uns freuen, wenn der Trainer bleibt.“ Andererseits werden die Leverkusener Spieler nicht an ihren Worten gemessen, sondern an ihren Taten. „Wir sind nur Angestellte des Vereins“, sagte Bernd Schneider, „wir können keine Entscheidungen treffen.“ Aber sie können den Verantwortlichen Entscheidungshilfen liefern. Das Auftreten in Bochum lässt sich durchaus so deuten, dass die Mannschaft „unbedingt mit Toppi die Talfahrt stoppen will“, sagte Calmund, sie habe „eine ordentliche Leistung gebracht“.

Bayer kämpfte, Bayer erspielte sich viele Chancen, Bayer steckte auch die Verletzungen der beiden Verteidiger Juan und Placente einigermaßen weg, und Bayer gelang durch Marko Babic zehn Minuten vor Schluss sogar der zwischenzeitliche Ausgleich. „Die Moral ist intakt“, sagte Schneider. Und wenn die Mannschaft so weiter fighte, „braucht uns nicht bange zu sein, dann stellen sich Erfolge automatisch ein“.

Solche Aussagen zeugen immer noch von einer gewissen Sorglosigkeit. Möglicherweise ist Reiner Calmund einer der wenigen, die den Ernst der Lage richtig einschätzen. Als Babic den Ausgleich erzielte und das Spiel für die Leverkusener doch noch ein einigermaßen versöhnliches Ende zu finden schien, klatschte Calmund nur zweimal kurz in die Hände. Er ist schon zu oft enttäuscht worden.

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