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Stille vor dem Start. Das Giro-Peloton und das Leopard-Trek-Team gedenken des verunglückten Wouter Weylandt. Foto: dpa

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Sport: Begräbnis über 200 Kilometer

Der Tod des Radprofis Weylandt beim Giro ruft Kritik an Veranstaltern hervor

Am Morgen nach dem tödlichen Sturz des belgischen Radprofis Wouter Weylandt ist nichts mehr wie gewohnt. Kein Sprecher kündigt mit dröhnender Stimme die Meriten des Radprofis an, der gerade seine Unterschrift ins Startbuch der vierten Etappe des Giro d’Italia setzt. Bis auf das traurige Trompeten-Solo „Il Silenzio“ ertönt keinerlei Musik. Sehr wenige Schaulustige sind zum Genueser Hafen gekommen, die Begeisterung beim Giro-Auftakt in Turin, als mehr als eine Million Menschen die Straßen gesäumt hatten, ist nur noch eine schale Erinnerung. In die Atmosphäre von Schmerz, Mitleid und Betroffenheit mischen sich auch kritische Stimmen. Sie beklagen die Tendenz zum Spektakel bei den großen Rundfahrten.

An diesem Dienstag trägt jeder das Gesicht voll hilfloser Trauer. Eine Traube bildet sich um den Teammanager von Leopard Trek, Brian Nygaard, als er aus dem abgezäunten Areal kommt, in dem die Mannschaft des verunglückten Weylandt abgesondert von den anderen ihr Startcamp aufgebaut hat. „Aus Respekt vor der Familie von Wouter Weylandt hat das Team entschieden, dass wir das Rennen weiterführen werden. Der Vater sagte, dies sei im Sinne seines Sohns“, erklärt der Däne. Nygaard fügt hinzu, dass in Momenten wie solchen „die Familie des Radsports enger zusammenrückt“.

Das Wort „Familie“ meint einmal nicht die Schweigegesellschaft in einem pharmazeutisch geprägten Sportbusiness, sondern eine Gemeinschaft von Männern, deren Körper um die Entbehrungen, aber auch die Glücksgefühle dieses Sports wissen. Und in deren Hirne sich Erinnerungen eingeprägt haben. Pietro Algeri saß bereits beim tödlichen Sturz des Italiener Fabio Casartelli bei der Tour de France 1995 in einem Mannschaftswagen. „Niemals hätte ich geglaubt, dass ich so etwas zwei Mal erleben muss“, sagt der Sportliche Leiter vom Team Movistar. „Ich befand mich im vierten Wagen hinter Weylandt. Ich sah nur ein Rad durch die Luft fliegen. Dann sah ich das schwarze Trikot am Boden und danach das Gesicht. Er muss mit der rechten Gesichtshälfte direkt in die Mauer gekracht sein“, erzählt er. Die Etappe danach sei „wie ein Begräbnis über 200 Kilometer“ gewesen. Am Dienstag schleppt sich das Peloton traurig von Genua nach Livorno, die Etappe wird nicht gewertet.

Zwar gibt es „keinen Hinweis auf ein Verschulden Dritter“, wie ein Polizeisprecher berichtet. Giro-Direktor Angelo Zomegnan kündigt „erneute Sicherheitsüberprüfungen der kommenden Etappen“ an. Aber es gibt eine bedenkliche Entwicklung, die Unfälle wie diesen geradezu herausfordert. „Von Jahr zu Jahr werden die Rundfahrten spektakulärer. Unsere Sicherheit bleib dabei immer mehr auf der Strecke“, erklärt Marco Pinotti. Der Profi von HTC Highroad gesteht, sich vor der ersten Abfahrt auf der dritten Etappe gefürchtet zu haben. „Über 200 Fahrer jagen in voller Geschwindigkeit die engen Straßen herunter. Das ist ein viel zu großes Risiko.“ Auch Weylandt hatte Angst. Vor dem Unfall schickte der 26-Jährige eine SMS an seinen Manager Jef van den Bosch, in der er Bedenken über die Strecke äußerte. „Er fand sie zu gefährlich, und das Rennen sei seiner Meinung nach viel zu nervös“, sagte van den Bosch.

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