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Einer von uns. Schottische Tennisfans feiern Andy Murray. Der spielt jedoch sehr gerne für Großbritannien. Bei Olympia 2016 müsste er das in jedem Fall noch. 

© dpa

Bei einer Abspaltung von Großbritannien: Was passiert mit dem schottischen Sport?

An diesem Donnerstag entscheiden die Schotten über den Verbleib im Vereinigten Königreich. Welche Auswirkungen hätte eine Abspaltung für den Sport ist Schottland?

Es ist noch gar nicht so lange her, da war Andy Murray im britischen Sport eine höchst unbeliebte Person. 2006 wurde der damals 19-jährige Schotte gefragt, wen er bei der Fußball-WM in Deutschland unterstützt. Seine Antwort: „Wen auch immer, der gegen England spielt.“ Mit diesem Kommentar rasten Murrays Popularitätswerte mit einem Schlag bergab. In Wimbledon bekam der Tennisprofi Drohungen und wurde reihenweise als „schottisches Arschloch“ beschimpft. Nur wenige Jahre später, als er endlich ein Grand-Slam-Turnier gewann, wurde er wieder zum Nationalheld.

Am Donnerstag könnte Großbritannien diesen Nationalhelden allerdings wieder verlieren. Sollte Schottland im Referendum die Unabhängigkeit wählen, würden sich auch Athleten wie Murray entscheiden müssen, ob sie künftig für Schottland oder Großbritannien starten.

Komischerweise tritt Murray, der sich einst klar gegen England positioniert hatte, überhaupt nicht als Freund der Unabhängigkeitskampagne auf. Als Schottlands Ministerpräsident Alex Salmond dieses Jahr in Wimbledon die schottische Fahne bei einem Spiel von Murray schwenkte, gefiel das dem Tennisstar gar nicht. „Ich vertrete seit 16 Jahren Großbritannien. Ich fand das mit der Flagge nicht gut.“ Da Murray nicht in Schottland lebt, darf er beim Referendum gar nicht mit abstimmen. Wenn Schottland jedoch unabhängig wird, wird er als olympischer Athlet selbst entscheiden können, ob er weiterhin Großbritannien vertritt oder doch lieber Schottland. Diese Entscheidung müssten alle schottischen Athleten treffen. Die Konsequenzen könnten heftig sein. Es kommen zwar nur zehn Prozent der Sportler aus der aktuellen britischen Olympiamannschaft aus Schottland, doch sie gewannen ein Fünftel der britischen Medaillen bei den Spielen in London 2012. Dazu trug Sir Chris Hoy, ein Schotte und Großbritanniens erfolgreichster Athlet, die Fahne bei der Eröffnungsfeier.

Sportlich ist Schottland also gut aufgestellt. Wie der frühere Ministerpräsident Henry McCleish sagte, hätte Schottland gute Aussichten, eine sportliche Macht zu werden, selbst wenn die großen Namen wie Murray für die neue Mannschaft absagen würden. Der Erfolg hängt allerdings auch vom Geld ab – derzeit bekommt die Sportstiftung Sport Scotland ungefähr 92 Millionen Euro pro Jahr vom Dachverband UK Sport. Die weitere Finanzierung würde erst nach der Wahl verhandelt.

Zumindest sportpolitisch würde es kaum Probleme geben. Im Falle der Unabhängigkeit würde Schottland sofort als Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) akzeptiert, teilt das IOC mit. Das gilt aber nicht für die nächsten Spiele in Rio de Janeiro. Auch wenn die Separatisten am Donnerstag siegen, könnten sie erst 2016 den politischen Prozess zu Ende bringen. Das heißt, es bliebe nicht genug Zeit, um das neue schottische olympische Komitee zu gründen und das Olympiateam aufzustellen.

Im Fußball wäre es einfacher. Wie im Rugby und Cricket ist Schottland da schon unabhängig, mit eigenem Nationalverband und eigener Liga. Trotzdem gäbe es auch hier Auswirkungen. Es wäre zum Beispiel Schluss mit der ewigen Debatte, ob nicht Schottlands beste Klubs wegen der mangelnden Konkurrenz in der englischen Premier League besser aufgehoben wären.

Die Rivalität zwischen den Nationalteams aus England und Schottland könnte größer werden. Englische Fans haben erst vergangene Woche beim EM-Qualifikationsspiel gegen die Schweiz Schmähgesänge gegen die Schotten angestimmt. Am 18. November gibt es sogar ein Freundschaftsspiel zwischen beiden in Glasgow. Egal, wie das Referendum ausgeht, es wird eine heiße Stimmung erwartet.

Eigentlich ist Schottland im Sport seit Jahren so unabhängig wie in keinem anderen Bereich. Für den diesjährigen Gastgeber der Commonwealth Games und des Ryder Cups ist Sport ein Grundpfeiler des Nationalgefühls. Jetzt könnten die Schotten das sportliche Gefühl in politische Realität verwandeln. Auch wenn Andy Murray nicht mitspielt. Kit Holden

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