zum Hauptinhalt

Sport: „Bei meinem Lieblingspaar entferne ich jeden Krümel“

Michael Neumayer erklärt das Geheimnis seiner Sprung-Skier – und warum er auf keinen Fall über seinen Anzug reden möchte

Wintersport ist eine technisch anspruchsvolle Angelegenheit. Da werden Kufen geschliffen, Ski gewachst und Schlitten konstruiert. Manchmal kann das Material sogar über den Sieg entscheiden. In unserer Serie erklären erfolgreiche Athleten, wie sie ihre Sportgeräte pflegen, an ihnen basteln und mit ihnen verreisen. Heute: Michael Neumayer über seine Sprung-Skier.

Die Skier sind knapp die Hälfte von dem, was uns beim Springen in der Luft hält – neben dem Körper samt Anzug. Deswegen haben wir natürlich auch eine ganz besondere Beziehung dazu. Über unseren Anzug sprechen wir Springer nicht so gern, das ist ein etwas heikles Thema. Es gibt vom Weltverband Fis exakte Vorschriften, die uns nur ganz minimalen Spielraum für Experimente lassen. Und die kleinen Vorteile, die wir finden – zum Beispiel was das Material angeht – die werden natürlich möglichst nicht an die Konkurrenz rausposaunt. Deswegen all die Geheimnistuerei. Eine minimale Veränderung im Anzug kann einen erheblichen Wettbewerbsvorteil ausmachen, deshalb sind wir da ganz vorsichtig.

Bei den Skiern ist das nicht ganz so problematisch, weil man viel mehr herumprobieren kann. Wir sind immer auf der Suche nach dem idealen Skiaufbau, experimentieren mit Länge, Härte, Gewicht und Material. Auch wenn es natürlich auch hier Vorschriften gibt – zum Beispiel dürfen sie höchstens 2,70 Meter lang und 11,5 Zentimeter breit sein.

Im Vergleich zu alpinen Skiern ist der Sprungski also wesentlich länger und breiter und vor allem auch leichter. Er hat keine Stahlkanten wie ein normaler Ski, weil es bei uns im Wesentlichen darum geht, nach dem Sprung geradeaus zu fahren. Die Stahlkanten helfen in den Kurven und sind deswegen überflüssig. Klar, wenn der Auslauf sehr eisig ist, hat man schon manchmal Probleme mit dem Bremsen, weil man nicht kanten kann. Aber meistens ist das kein großes Hindernis. Die Stahlkanten würden den Ski außerdem sehr steif und unflexibel machen und sie sind bei Stürzen gefährlich, weil man schon öfter mal den Ski abbekommt.

Außerdem versucht man natürlich, möglichst leichte Materialien zu verwenden und Stahl gehört definitiv nicht dazu. Grundsätzlich gilt: Je leichter man ist, desto weiter fliegt man. Deshalb gilt auch beim Ski, das Gewicht so niedrig wie möglich zu halten – auch wenn das selbstverständlich begrenzt ist. Die Regel lautet: Der Ski darf nicht weniger Gramm wiegen wie er in Millimetern lang ist. Mein Ski ist zum Beispiel 2,63 Meter lang und muss deswegen mindestens 2630 Gramm wiegen. Schwerer geht immer, aber das macht ja in der Luft keinen Sinn. Ich verwende ein bisschen Holz und gepresstes Papier zusammengepappt mir Sägemehl – eine schöne Mischung aus möglichst leichten Materialien. Da hat jeder so seine Tricks. Wie genau das zusammengemischt wird weiß ich aber auch nicht, das macht die Skifirma und ich teste das dann aus.

Außerdem kann man noch mit der Aufbiegung experimentieren. Die Aufbiegung, das heißt wie weit die Spitze des Skis nach oben gebogen ist, beeinflusst das Wegspringen des Skis – also wie schnell der Ski nach dem Absprung an den Körper herangezogen wird. Es kommt darauf an, was man für ein Springertyp ist. Ich springe sehr aufgebogene Skier, da ich eher lange brauche, um die Ski nach dem Absprung an den Körper zu ziehen. Andere, denen der Ski gleich nach dem Abflug automatisch ins Gesicht schlägt, bevorzugen eher flache Ski, ohne viel Aufbiegung. Einen ähnlichen Effekt bekommt man, wenn man den Ski hinten schwerer macht. Aber wenn der Ski zu schnell kommt, ist das auch nicht gut. Deswegen sind meine Skier vorne und hinten gleich schwer.

Natürlich hat man immer mehrere Paar Ski dabei, für unterschiedliche Schneeverhältnisse. Weniger als zwei Paar hat keiner dabei, weil die ja auch immer mal kaputt gehen können. Wenn es zum Beispiel warm ist, wird die Anlaufspur nass und dann muss der Ski eher rau und wellig sein, damit er nicht kleben bleibt und man zu langsam wird.

Aber es gibt natürlich immer das Lieblingspaar. Wenn das wegkommt, hat man ein Problem. Besonders wenn die Ersatzpaare auch nicht da sind, deswegen habe ich die Skier eigentlich immer am Mann und passe sehr gut darauf auf. Die werden gehegt und gepflegt, da wird jeder Krümel entfernt. Aber einmal ist es mir dennoch passiert, dass die Skier mit dem Flieger nicht angekommen sind. Da hat mir damals ein Kollege aus Estland ein Paar geliehen. Ich hatte Glück, dass sie meinen sehr ähnlich waren, deswegen ging es ganz gut. Aber wenn es ein ganz unterschiedlicher Springertyp ist, kann das am Ende schon so zehn Meter Unterschied ausmachen.

Aufgezeichnet von Anke Myrrhe.

Michael Neumayer

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false