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Von oben herab. Roger Federer ließ Rafael Nadal überhaupt keine Chance. Foto: AFP

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Sport: Beispiellos abserviert

Roger Federer demütigt Rafael Nadal durch einen 6:3, 6:0-Sieg beim Tour-Finale in London.

Die Fotohandys blitzten unaufhörlich, alle Objektive richteten sich auf die Anzeigetafel hoch oben unter dem Kuppeldach des ehemaligen Millennium Domes. 6:3 und 6:0 leuchtete dort wie eingebrannt auf – ein historisches Ergebnis, das viele Zuschauer festhalten wollten. Schon allein, um sicher zu sein, dass es keine Sinnestäuschung gewesen war. Dabei war das Gesehene durchaus real: Roger Federer hatte am Dienstagabend in London einfach grandios gespielt gegen Rafael Nadal, das Match kam einer Demontage gleich. Nie zuvor hatte der Schweizer seinen Rivalen so deutlich bezwungen, dabei spielten sie schon zum 26. Mal gegeneinander.

Der tosende Jubel der 17 500 Zuschauer wollte nicht abreißen, und während Federer jeden Moment auskostete, verließ Nadal den Platz wie ein geprügelter Hund. Nur 60 Minuten hatte die Abreibung des spanischen Weltranglistenzweiten gedauert, man traute seinen Augen nicht. „Das Ergebnis ist wahr“, sagte Nadal später, „er war heute einfach zu gut für mich. Das ist alles, das muss ich akzeptieren.“ Ganz so simpel war es dann aber doch nicht. Schon die Voraussetzungen hatten deutlich für Federer gesprochen, der mit einer Bilanz von elf Siegen in Folge ins zweite Gruppenspiel des Tour-Finals gegangen war. Für Nadal war es zwar erst das zweite Match nach einer vierwöchigen Pause, durch die erste Partie gegen Mardy Fish hatte der Spanier sich aber mit einem verdorbenen Magen quälen müssen.

Dass dem Energiebündel auch zwei Tage später gegen Federer immer noch die Kraft fehlte, war unübersehbar. Die Aggressivität und der Kampf sind sonst die Markenzeichen des Mallorquiners, doch ihm gelang nur ein einziger Winner im ersten Satz, vier insgesamt. Mit so stumpfen Waffen sah man Nadal zuletzt bei den Australian Open, als er ebenfalls angeschlagen war, aber nicht aufgeben wollte. Das wollte er auch an diesem Abend gegen Federer nicht, obwohl der ihn nach Belieben vorführte. Der Schweizer spielte perfekt an die Linien, versenkte mit einer beispiellosen Leichtigkeit 28 Winner im Feld und zauberte vor allem mit seiner einhändigen Rückhand Punkte, an denen sich die Zuschauer berauschten. Nadal war chancenlos.

„Es war ganz sicher nicht Rafas Tag heute“, sagte Federer, „aber er hat trotz allem immer ein bestimmtes Spielniveau, unter das er nicht geht. Dieser Sieg ist daher extrem viel wert.“ Es war verständlich, dass Federer die Leistung Nadals etwas aufpolierte, denn dass es kein Duell auf Augenhöhe gewesen war, wusste auch er. Doch Federer hatte drei bittere Niederlagen allein in dieser Saison gegen den Spanier kassiert, besonders jene im Finale der French Open schmerzte. Allerdings nicht so sehr wie das Debakel, das er in Paris 2008 gegen Nadal erlebt hatte: 1:6, 3:6, 0:6 hieß es am Ende. Der triumphale Erfolg an diesem Abend in London war die süße Revanche. „Ich bin sehr glücklich“, sagte Federer, „das ist einer meiner schönsten Siege. Ich habe gegen meinen größten Rivalen gewonnen, und das bei den Tour-Finals, wo es wirklich zählt.“

Federer und Nadal hatten das Männertennis im letzten Jahrzehnt beherrscht, 22 der letzten 27 Grand-Slam-Titel teilen sie unter sich auf (Federer zwölf, Nadal zehn). Nun spielten sie erstmals gegeneinander, ohne dass einer von ihnen die Nummer eins der Welt war. Federer untermauerte seine Ambition, als erster Spieler zum sechsten Mal den WM-Titel zu gewinnen. Aber auch für Nadal ist das Halbfinale durch einen Sieg über Jo-Wilfried Tsonga am Donnerstag noch möglich. „Das ist nicht der Moment, aufzugeben. Das ist der Moment, zu kämpfen“, sagte Nadal, „es ist noch nicht zu Ende.“

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