zum Hauptinhalt

Sport: Belastungsprobe fürs Ego

Der Aachener Jan Schlaudraff kehrt mit einem Traumtor von seiner verordneten Bescheidenheitskur zurück

Vor einer Woche hatte Jan Schlaudraff noch wichtigeres zu tun, als Fußball zu spielen. Während seine Kollegen ein 1:1 gegen Nürnberg erreichten, ging der Stürmer von Alemannia Aachen der Spezialmission nach, die ihm seine Vorgesetzten aufgetragen hatten: die Neuordnung seines Egos. Schlaudraffs schnippisch-lässiges Auftreten nach seiner zweiten Reise mit der deutschen Nationalmannschaft hatte seinem Vereinstrainer Michael Frontzeck vor zwei Wochen derart missfallen, dass er den 23-Jährigen für das Punktspiel in Dortmund aus dem Kader strich und ihm Hausarrest verordnete. „Wir wollten ihm die Gelegenheit geben, sich zu sortieren“, sagte Alemannias Sportdirektor Jörg Schmadtke.

Beim 2:2 der Aachener gegen Werder Bremen zeigt Schlaudraff nun, dass diese Maßnahme ihre Wirkung nicht verfehlt hatte. Mit viel Engagement, ständigen Positionswechseln, gelungenen Dribblings und klugen Pässen auf seine Mitspieler schwang sich der junge Mann mit dem fliehenden Kinn zum besten Spieler auf dem Platz auf und krönte seine starke Leistung mit einem fabelhaften Treffer zum zwischenzeitlichen 2:1. Nach dem Denkzettel des Trainers habe er „zwei, drei Dinge geändert“, sagte Schlaudraff. „Alles halb so wild. Es ging um meine Körpersprache, darum, mich nicht hängen zu lassen.“ Und um „Bemerkungen, die vielleicht etwas flapsig waren, aber auch falsch aufgegriffen worden sind. Ich halte mich jetzt eben ein bisschen zurück.“

Das Zungenschnalzer-Tor aus der 68. Minute kam ihm als Beleg seiner erfolgreichen Bescheidenheitskur wie gerufen: Nach einem Horizontal-Solo an der Bremer Strafraummarkierung entlang, bei dem Schlaudraff nacheinander drei Verteidiger ausspielte, übersah er geflissentlich Angriffspartner Sascha Rösler, ehe er den Ball gefühlvoll über den Bremer Schlussmann Tim Wiese hinweg ins Netz hob. „Ein schönes Tor, das man nicht alle Tage macht“, bemerkte Schlaudraff nüchtern. Und während um ihn herum Superlative wie „Weltklassetor“ (Wiese), „sensationell“ (Werder-Boss Jürgen Born) oder „Tor des Jahres“ (Frontzeck) durch die Luft flogen, verwies er selbst auf seine ausbaufähige Torquote von fünf Treffern bei elf Einsätzen: „Alle meine Tore zusammen geschnitten, das wird eine kurze DVD – zwei Minuten, dann ist es durch.“

Die Aufmerksamkeit der Liga dürfte trotzdem weiter wachsen. Im Sommer buhlten Nürnberg und Frankfurt noch vergeblich um Schlaudraffs Dienste. Doch spätestens seit Bayer Leverkusen die Ausstiegsklausel zum Saisonende aus dem noch bis 2008 laufenden Vertrag des Nationalstürmers publik machte, werden die Namen der Interessenten klangvoller: Neben Leverkusen gehören auch der VfB Stuttgart und Werder Bremen dazu. „Natürlich verfolgen wir seinen Werdegang“, teilte Werders Sportdirektor Klaus Allofs. „Er hat ein schönes Tor geschossen und uns ordentlich Probleme bereitet.“ Am Ende urteilte selbst Jörg Schmadtke anerkennend: „Heute war Jan wirklich sehr gut sortiert.“

Zur Startseite