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Sport: Berlin Capitals: Das Rätsel um die schwarze Null

Im Stammbuch der Deutschlandhalle hat Eberhard Diepgen dick aufgetragen. "Berlin ohne Deutschlandhalle", schreibt Berlins ehemaliger Regierender Bürgermeister, "das wäre genau so wenig vorstellbar wie Paris ohne Eiffelturm, London ohne Wembley-Stadion oder New York ohne Freiheitsstatue.

Im Stammbuch der Deutschlandhalle hat Eberhard Diepgen dick aufgetragen. "Berlin ohne Deutschlandhalle", schreibt Berlins ehemaliger Regierender Bürgermeister, "das wäre genau so wenig vorstellbar wie Paris ohne Eiffelturm, London ohne Wembley-Stadion oder New York ohne Freiheitsstatue." Diepgens Eintrag stammt aus dem Jahr 1985. Damals, 50 Jahre nach seiner Eröffnung, war der einst von den Nationalsozialisten als größte Mehrzweckhalle der Welt errichtete Bau immer noch ein beliebter Veranstaltungsort. Dreieinhalb Jahre hat die Arena zuletzt brachgelegen, heute wird ihr nach dem Umbau zur Eissporthalle wieder Leben eingehaucht, erstmals darf in der Halle trainiert werden: Allerdings nicht vom Profiteam der Capitals aus der Deutschen Eishockey-Liga (DEL), der Berliner Klub war gestern immer noch nicht liquide.

Ohne Geld gibt es keine Trainingszeiten, zum Auftakt trainiert heute Nachmittag in der Deutschlandhalle die Schülermannschaft der Young Capitals. Eine Premiere, denn Eishockey wurde in der 66 Jahre alten Arena noch nie gespielt. Allerdings auch eine Premiere, die sich die Capitals ganz anders vorgestellt hatten. Zwar konnten die Berliner der DEL am Freitag nachweisen, dass sie 10,6 Millionen Mark zur Abtragung von Schulden auf ein Konto eingezahlt hatten und damit dem drohenden Lizenzentzug entgehen, nur verfügte gestern bei den Capitals immer noch keiner über das Geld. Wann die Millionen endlich zum Bezahlen ausstehender Gehälter und ungeduldiger, mit Insolvenzanträgen drohenden Anwaltskanzleien benutzt werden können? "In ein paar Tagen" - mehr war von einem Verantwortlichen nicht zu erfahren.

Eine undurchsichtige Geschichte, in der wohl nur Egon Banghard klar sieht. Der Hauptgesellschafter der Capitals hatte das von der DEL geforderte Geld eingezahlt. "Die Vergangenheit ist abgeschlossen", sagte Banghard gestern, "die Capitals starten nun mit einer schwarzen Null in die Saison." Schöne Worte, die gestern beim Klub nicht über die bittere Realität hinwegtrösten konnten: Rote Zahlen auf den Konten lähmten sämtliche Vorbereitungen auf die bereits in drei Wochen beginnende Saison. Immer noch war unklar, ob der in Berlin weilende Schwede Olle Öst ein Amt im Klub übernimmt. Die Angestellten der Capitals warten immer noch vergeblich auf ihr schon seit sechs Monaten ausstehendes Gehalt.

Die DEL sieht sich trotz ausbleibender Zahlungen bei den Berlinern nicht in der Pflicht. "Für uns war nur wichtig, dass das Geld am Freitag eingezahlt war", sagt ihr Geschäftsführer, Gernot Tripcke. "Wie die Capitals darüber verfügen, ist eine andere Sache." Doch inzwischen gibt es Gerüchte, dass besagtes Geld nicht auf einem Berliner Konto eingegangen ist? "Wo das Konto angelegt ist, ist egal", sagt Tripcke. "Das könnte auch in Liechtenstein sein."

Immerhin, so war zu hören, sei es ja nicht ausgeschlossen, dass sich heute Abend, beim Training der Regionalliga-Mannschaft der Young Capitals, eine Handvoll Profis einmogelt. Viel mehr davon gibt es momentan ohnehin nicht, die Berliner haben nur 13 Spieler unter Vertrag. Neue Akteure konnten mangels Liquidität bisher noch nicht verpflichtet werden, und zwei vertraglich gebundene Spieler sind noch nicht in Berlin: Die Kanadier Yvon Corriveau und Francois Leroux warten auf ihre Flugtickets, Corriveau auch auf sein ausstehendes Gehalt.

Angesichts all dieser immer noch bestehenden Unklarheiten verkam die verschobene Premiere des Teams aus der DEL in der Deutschlandhalle zur Nebensache. Schade eigentlich, denn mancher sehnte den Tag herbei, an dem in der Arena erstmals die Pucks fliegen dürfen. Sportdirektor Lorenz Funk zum Beispiel. "Vor 21 Jahren hat man mich mit dem Versprechen nach Berlin gelockt, dass wir ein Jahr später in der Deutschlandhalle spielen würden", erzählt der Tölzer Funk. Von wegen. Der Nationalspieler spielte mit dem Schlittschuh-Club und dem BSC Preussen ein paar Meter weiter in der nun fast komplett abgerissenen Eissporthalle. "Unglaublich, dass es so lange gedauert hat", sagt Funk, "die Halle ist doch optimal für Eishockey. Wenn du da jetzt reinschaust, dann riechst du das Flair, spürst die Wärme." Riechen und spüren dürfen die Profis der Capitals die Deutschlandhalle vorerst nur von der Tribüne aus. Die Zukunft des Klubs aus der DEL scheint seit gestern wieder einmal ungewiss. Aber das ist ja - gemessen an den Kapriolen der vergangenen Wochen - schon zur Gewohnheit geworden.

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