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Sport: Berlin Capitals: Kleine Taschenlampe, brenn!

Donnerstagnachmittag in der Deutschlandhalle. Die Bandentür geht auf, aufs Eis hüpft nach und nach eine bunte Truppe von Eishockey-Spielern.

Donnerstagnachmittag in der Deutschlandhalle. Die Bandentür geht auf, aufs Eis hüpft nach und nach eine bunte Truppe von Eishockey-Spielern. In verschiedenste Trainingstrikots gekleidet, Hosenfarbe vorwiegend schwarz, auch blaues und rotes Beinkleid findet sich. Und wer schon immer wissen wollte, in wie vielen Varianten Eishockey-Stutzen auf dem Markt sind, der kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus.

Eine Hobbymannschaft, die sich da mit einem Spielchen in der schmuck hergerichteten, größten Eishalle Berlins den Abend vertreibt? Der Verdacht lässt sich schnell ausräumen, schließlich hat der Berliner Eissport-Verband für die Zeit zwischen 17.15 Uhr und 18.30 Uhr eine Trainingseinheit für "Sichtungs- und Talentförderung" gebucht. Freilich, beim genauen Blick auf die Protagonisten wird klar, dass hier kaum einer gefördert werden muss. Andrej Mezin zum Beispiel ist Nationaltorhüter Weißrusslands, Francois Leroux hat 249 Spiele in der nordamerikanischen Profiliga NHL bestritten und Gunnar Leidborg gilt als einer der besten Trainer Europas. Das hilft dem Schweden allerdings derzeit wenig, denn er bekleidet ein Amt, um das ihn kaum einer seiner Berufskollegen beneiden dürfte. Leidborg ist Trainer der Capitals. Am Mittwoch hat die Deutsche Eishockey-Liga den Berlinern die Lizenz entzogen. Seitdem sind sie Deutschlands einzige Profimannschaft, die in keiner Liga organisiert ist. Ein Team, dass ohnehin nur zur Hälfte existiert, der Blick auf die Eisfläche in der Deutschlandhalle verrät es: Neben 13 Profis tummeln sich am Donnerstag im Wesentlichen Spieler des viertklassigen Regionalliga-Teams der Young Capitals.

"Das kommt doch bis Mittwoch alles wieder in Ordnung." Lorenz Funk steht hinter der Plexiglasbande und beobachtet das Training. Noch ist Funk Sportdirektor bei den Capitals, bald soll er Marketingleiter werden. Seinen Optimismus hat der schwergewichtige Bayer noch nicht verloren. "Heute haben die Krankenkasse, die Versicherungen, die Messe und ein Teil der Spieler ihr Geld bekommen", rechnet Funk vor, "in ein paar Tagen haben wir alle Schulden bezahlt." Am kommenden Mittwoch könnten die Gesellschafter der DEL die am vergangenen Mittwoch vom Aufsichtsrat gefällte Entscheidung revidieren. Funk ist sich sicher, dass die Capitals die Lizenz zurückbekommen. "Und dann geht es bei uns los. Wir haben Superspieler an der Hand, die sitzen auf gepackten Koffern." Und deswegen wird trainiert - und heute sogar ein Testspiel in Essen gegen die Moskitos bestritten.

Andere sind sich über die Zukunft der Capitals in der DEL nicht so sicher. Rund 50 Zuschauer verlieren sich in der Halle. Eine Besucherin lacht. "Ich war neulich mit meinem Sohn in der Schweiz", sagt sie, "als der dann erzählt hat, dass er Eishockey bei den Berlin Capitals spielt, hat er munteres Grinsen geerntet. Capitals? Das sind doch die, die Pleite sind, haben ihm die Leute gesagt."

Bis in die Alpen hat sich das Hickhack herumgesprochen, bis nach Kanada nicht. Vor einer Woche ist Francois Leroux nach Berlin gekommen, ahnungslos. Das Training ist vorbei, der stämmige kanadische Verteidiger stapft Richtung Kabine und schüttelt den Kopf. "So etwas habe ich noch nie erlebt", sagt der 31-Jährige. "Das ist Achterbahn." Die Kollegen hatten ihn schon bei seinem ersten Training gewarnt. "Jetzt lachst du noch", hatte ihm ein Mitspieler gesagt, "warte ab, in drei Tagen weinst du." Tränen sind Leroux immer noch fremd. "Als Spieler kannst du nichts ändern", sagt er. Und: "Ich möchte in Deutschland bleiben."

Zum Glück wird in Deutschland Eishockey noch in andere Städten gespielt, auch wenn die Gunnar Leidborg nicht interessieren. "Ich wollte nach Berlin", sagt der gemütliche Schwede. "Sicher habe ich vor meiner Vertragsunterzeichnung im Frühjahr ein paar Gerüchte gehört, dass es den Capitals nicht gut geht. Aber dann hieß es immer, dass alles in Ordnung kommt." Immerhin, seit gestern ist ein Teil der Verbindlichkeiten abgetragen, von Ordnung kann aus Sicht von Leidborg aber keine Rede sein. Derzeit ist er mehr Konkursverwalter denn Trainer. "Wenn wir die Lizenz zurückbekommen", sagt Leidborg, "wird es schwer. Die ersten Punktspiele wären Vorbereitungsspiele."

Über seine Zukunft macht sich Leidborg keine Sorgen. "Im Herbst wird irgendwo der erste Trainer gefeuert. Nur um die Spieler tut es mir leid, für viele würde es schwer, einen Klub zu finden." So weit ist es noch nicht. Es gibt einen Funken Hoffnung, den die Verantwortlichen glimmen lassen. Da soll bloß keiner von der Presse kommen und einem Spieler oder dem Trainer ein böses Wort entlocken. Leidborg lacht über die selbsternannten Feuerwehrmänner. "Ich habe zehn Jahre lang in Schweden bei einer großen Tageszeitung gearbeitet, ich habe keine Angst vor der Presse."

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