zum Hauptinhalt

Sport: Berlin-Marathon: Freudentänzchen mit Nationalheldin

Japaner sind cool und zurückhaltend - so vermittelt es das Klischee. Doch das ist falsch, ganz falsch.

Japaner sind cool und zurückhaltend - so vermittelt es das Klischee. Doch das ist falsch, ganz falsch. Beim Berlin-Marathon zeigten sie sich als Menschen, die sich unglaublich euphorisch gebärden können. So konnte es ein älterer Herr namens Hiroaki Chosa kaum erwarten, bis Naoko Takahashi die Ziellinie erreichte. Der Anzugträger schloss dann sofort die Olympiasiegerin in seine Arme und wagte ein Freudentänzchen. Dabei ist der Tänzer immerhin Präsident der Gemeinschaft weltweiter Straßenläufe Aims und Mitglied des Präsidums im Leichtathletik-Weltverband IAAF.

"Marathonlauf ist in Japan nach Baseball und Football die populärste Sportart", sagt Atsushi Maki, Redakteur von Sankei Sports News in Tokio. Viele Mädchen und Frauen würden das Joggen als Gesundheitssport bevorzugen. Maki war erstmals 1989 in Berlin. Weil damals der Fall der Mauer auch in Japan als Weltereignis empfunden wurde.

Zumindest als unverzichtbares Spektakel für japanische Medienbedürfnisse galt auch der Start der neuen Sportheldin beim Berlin-Marathon. Maki war ihretwegen eine Woche vorher angereist und hat täglich "mindestens eine Story" per Laptop in die Redaktion geschickt. Schwerpunkt war natürlich die Frage, wie sich Takahashi auf das Rennen und auf den Weltrekordangriff präpariert. Keine leichte Sache, denn Japans Medienliebling hatte sich die ersten Tage in einem Hotel am Stadtrand in Falkensee einquartiert. Nicht erreichbar für Journalisten und Kamerateams. So lief der Nachrichtenfluss zunächst nur über das Handy von Takahashis Manager oder deren Trainer Yoshiu Koide. Jener ließ ausrichten, er sehe die "Chancen 80:20", dass der Weltrekord fallen würde. Schon im Juni habe man die Strecke auf Video aufgenommen und mit Takahashi jeden Meter im Auto oder per Fuß erkundet.

Als Japans erste olympische Leichtathletik-Goldmedaillengewinnerin dann am Freitag auf einer Pressekonferenz präsentiert wurde, gab es einen "Medienauftrieb, größer noch als beim Tennis mit Steffi Graf", wie Pressechef Hans-Jürgen Kaufhold meinte. Japan allein war mit mehr als 200 akkreditierten Medienvertretern dabei, inklusive der technischen Fernsehmitarbeiter.

Sie alle werden Berlin zufrieden verlassen, nach dem fantastischen Alleingang Takahashis, die in Japan als erste Sportlerin mit dem höchsten Orden geehrt wurde. Das gilt auch für Fuji TV, das die Bilder live gegen 16 Uhr japanischer Zeit übertrug und Rekordeinschaltquoten "von mehr als 50 Prozent" erwarten durfte.

Ernst Podeswa

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false