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„Wir brauchen aber kein neues Olympiastadion“, sagt Berlins Sport-Staatssekretär Andreas Statzkowski, 50 Prozent der Olympia-Sportanlagen seien schon vorhanden , 30 sollen temporär, 20 Prozent neu gebaut werden.

© Mike Wolff

Berliner Bewerbung für Olympia 2024 oder 2028: Höher, weiter, sauberer?

Olympische Spiele sollen Berlin voranbringen. Doch viele Sportvereine sorgen sich eher um ihre maroden und dreckigen Sportanlagen. Von der Basis könnte es abhängen, ob Berlin überhaupt die nächste Bewerbungsrunde erreicht.

Michael Voges blauer Punkt drückt Verärgerung aus. Der Vereinsfunktionär hat seinen Papierkreis so weit nach unten auf das Olympiastimmungsbarometer geklebt, dass deutlich wird: Hier ist jemand richtig sauer. Die anderen rund 50 Vereinsvertreter und Sportfunktionäre im Saal haben ihren Punkt in die obere Hälfte gedrückt, sie alle sind dafür, dass Berlin sich um die Olympischen und Paralympischen Spiele 2024 oder 2028 bewerben soll.

Doch Michael Voge hat Bedenken. „Der Standort Hohenschönhausen für das Bogenschießen ist nicht richtig durchdacht“, sagt er, „man kann das auf dem Maifeld oder in Leipzig machen, aber nicht in Hohenschönhausen.“ Und er muss es eigentlich wissen, als Vorsitzender der Ersten Berliner Bogenschützen (1.BBS). „Es ist eigenartig, dass wir als größter Bogenschützenverein nicht in die Planungen miteinbezogen worden sind“, sagt er, „wenn das bei den anderen Sportarten auch so gelaufen ist...“ Um Voge auch noch zu überzeugen und die positiver gestimmten Berliner Sportfunktionäre über die Bedeutung der Spiele für den Breitensport zu informieren, hatten die Senatsverwaltung für Inneres und Sport sowie der Landessportbund (LSB) in den Bärensaal des Alten Stadthauses eingeladen. Anschließend sollten die Sportfunktionäre beginnen, die frohe Olympiabotschaft in der Stadt zu verbreiten, denn: Jetzt wird es langsam wichtig.

Am 21. März entscheidet der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung, ob er sich mit Berlin oder Hamburg bewirbt. Die internationale Ausstrahlung spricht dabei ebenso für Berlin wie die Infrastruktur und die Erfahrung mit Großereignissen. Doch die Bevölkerung ist noch nicht begeistert, vielleicht ist sie in Hamburg etwas aufgeschlossener für das Projekt. Und noch einmal möchte der DOSB nach der Abstimmungsniederlage in München nicht verlieren.

Die Bevölkerung könnte also den Ausschlag geben, der DOSB will im nächsten Jahr noch eine Umfrage durchführen lassen. Dafür will der Sport jetzt in Berlin Stimmung machen. „Träger dieser Bewerbung muss die Zivilgesellschaft sein“, sagt Kaweh Niroomand, Manager der BR Volleys und Sprecher der sechs Profivereine Hertha, Union, Eisbären, Füchse, Alba und Volleys. Mit rund 600.000 Mitgliedern sind die Berliner Sportler die größte Bürgerbewegung der Stadt, sagt der LSB. Das sieht nach einer guten Ausgangsposition aus. Was aber bringen Olympische Spiele den Berliner Sportvereinen tatsächlich?

Ein eigener Arbeitskreis mit Vertretern aus Senatsverwaltung und LSB sollte das in dieser Woche erarbeiten. Der Sportbund wies zunächst auf den Wettbewerb „Jugend trainiert für Olympia“ hin, der auch nach den Olympischen Spielen 1972 fortwirkt. Das wichtigste Thema aber war der Sanierungsbedarf der Berliner Sportstätten, der sich offiziell auf 300 bis 400 Millionen Euro beläuft. „Wir würden durch Olympia eine Verbesserung der Sportstättensituation erhalten“, sagte Frank Kegler vom LSB, „wir würden durch ein Konjunkturprogramm für den Breitensport einen wesentlichen Schub erhalten.“ Er verwies auf das Stadion Lichterfelde, das bei der Leichtathletik-WM 2009 als Trainingsstadion diente und dafür modernisiert wurde. Die Bezirke sollen nun 35 Sportanlagen melden, die als Trainingsorte für Olympia in Frage kommen könnten. Doch Berlin hat über 1000 sanierungsbedürftige Sportstätten.

„Das hat mir jetzt nicht wirklich geholfen“, sagt Axel Stanske am Ende des Arbeitskreises, „es war alles so allgemein, das hat mit Olympia nichts zu tun gehabt.“ Der Vereinsvorsitzende des VfL Lichtenrade hat das Thema Olympische Spiele auch in seinem Verein diskutiert. „Das wird sehr unterschiedlich gesehen“, berichtet er , „ich selbst bin noch unentschieden.“ Olympia könne die Jugend für den Sport begeistern, aber diese Begeisterung sei nicht nachhaltig. „Das Land Berlin muss sehr viel mehr tun als bisher, um den Leuten von der Straße zu zeigen, was Olympia der Stadt bringt“, sagt Stanske.

Andere Vereine sind da zuversichtlicher. Michael Stiebitz, der Präsident des Berliner Hockey Clubs hofft auf olympische Wettbewerbe im historischen Stadion auf dem Olympiagelände. Bisher hat es für die Klubs in der Stadt „eine relativ stiefmütterliche Rolle“ gespielt, sagt Stiebitz. Mit Olympia könnte dort ein zweiter Platz angelegt werden, dazu neue Gebäude mit Kabinen. Vielleicht wird daraus der lange erhoffte Leistungsstützpunkt. Das würde zur Aussage von LSB-Präsident Klaus Böger passen: „Olympia in Berlin ist das Programm, um Sport in der Gesellschaft voranzubringen.“

Was aber kosten die Spiele? Berlins Sport-Staatssekretär Andreas Statzkowski macht hierfür eine einfache Rechnung auf. Rund zwei Milliarden Euro werde die Durchführung der Spiele kosten. Dafür gebe es 1,2 Milliarden vom Internationalen Olympischen Komitee. „Mit den übrigen Einnahmen aus Ticketverkauf, Briefmarken, Merchandising können wir heute die Olympischen Spiele bestreiten“, sagte Statzkowski. Soll heißen: Die Durchführung der Spiele kostet den Berliner Steuerzahler nichts. Zahlen muss er vielmehr für den zweiten großen, noch nicht näher bezifferten Topf: Die Infrastrukturmaßnahmen. „Wir brauchen aber kein neues Olympiastadion“, sagt Statzkowski, 50 Prozent der Olympia-Sportanlagen seien schon vorhanden , 30 sollen temporär, 20 Prozent neu gebaut werden.

Diese Rechnung will Klaus Grewe nicht kommentieren. Der Koordinator der Olympischen Spiele 2012 in London wundert sich im Alten Stadthaus allerdings darüber, dass Berlin schon Zahlen nennt, ohne eine exakte Gesamtrechnung zu haben. „Wenn Sie das politisch so wollen, können Sie das machen“, sagte er, „ich würde mich verweigern.“ Er verweist darauf, dass London erst sechs Jahre vor den Spielen exakte Zahlen genannt habe – und diese dann auch eingehalten habe. „Diese erste Phase muss über Emotion gehen“, sagt Heiner Brandi, der Direktor des Landessportbunds, „wir müssen die Menschen jetzt mitnehmen.“ Der Applaus zeigt, dass das bei den meisten Vereinsvertretern gelungen ist.

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