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FC Bayern Muenchen - Hertha BSC

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Berliner Fußballfeinde: Hertha holt Kobiaschwili und hofft auf ein Wunder

Hertha BSC irrlichtert als abgeschlagener Letzter in die Winterpause. Am Sonntag gab der Klub die Verpflichtung von Lewan Kobiaschwili bekannt. Der 32-Jährige bringt Erfahrung in die verunsicherte Mannschaft – aber wird das wirklich reichen?

Es war im vergangenen Sommer in Stegersbach. Hertha BSC befand sich in Klausur, in Fußballkreisen heißt das Trainingslager. Beim Rotwein kam ein innerer Führungszirkel zusammen, der Trainer hieß noch Lucien Favre und der Manager nicht mehr Dieter Hoeneß. Einer der Herren erhob das Glas und formulierte einen eher kryptischen Toast, er bestand aus einer einzigen Zahl: "64.“ In der Luft lagen reichlich Fragezeichen, und zur Beseitigung derselben erwähnte der Mann, er wolle jetzt anstoßen auf die Zahl der in der kommenden Saison zu holenden Punkte.

Das wird, so viel kann man nach der am Samstag beendeten Hinrunde in der Fußball-Bundesliga sagen, so einfach nicht werden. Nach 17 Spielen steht Hertha mit sechs Punkten abgeschlagen auf dem 18. und damit letzten Tabellenplatz. Sollte die Deutsche Fußball-Liga bei der bewährten Regelung bleiben, in jedem Spiel maximal drei Punkte auszuschütten, würde Hertha im Optimalfall von 17 Siegen auf 57 Punkte kommen. Das klingt, je nach Perspektive, lustig oder abstrus, fügt sich aber bestens in die Rechnung, die Arne Friedrich am Samstagabend aufmachte. Eine halbe Stunde nach der 2:5-Niederlage beim FC Bayern München, es war bereits die dreizehnte im siebzehnten Saisonspiel. "Wenn wir die nächsten vier Spiele gewinnen, ist noch alles drin“, formulierte der Berliner Kapitän. Vier Siege – das würde die bisherige Siegausbeute um 400 Prozent steigern.

Der Herr Friedrich, in München mal wieder aus der Innen- in die Außenverteidigung versetzt, hat dann noch ein paar interessante Sachen gesagt. Etwa, dass er die Chancen auf den Verbleib in der Bundesliga auf fifty-fifty einschätzt. Und, dass es recht schwierig werden dürfte, den Abstieg bei Punktgleichheit mit welchem Konkurrenten auch immer über die Tordifferenz abzuwenden. Beim Aufwiegen von geschossenen und kassierten Toren liegt Hertha zurzeit konkurrenzlos schlecht bei minus 26.

Was soll man sagen zu dieser Mannschaft, die vor einem halben Jahr noch beinahe Deutscher Meister geworden wäre und nun irrlichternd und jenseits von Gut und Böse der Zweiten Liga entgegen trudelt? "War halt eine beschissene Hinrunde, die musst du jetzt abhaken“, sagt Florian Kringe. Florian Kringe ist im Spätsommer aus Dortmund nach Berlin gekommen, als Hertha zwar schon schwächelte, aber noch gemessen wurde an den Erfolgen der vorherigen Fast-Meister-Saison. Kringe wollte sich in Berlin empfehlen, aber schon im ersten Spiel brach sein Fuß und nach langer Rehabilitation findet er sich nun wieder in einer Mannschaft, die dem Unternehmen Nichtabstieg ähnlich aussichtslos entgegentaumelt wie zuvor nur Tasmania 1900, die schlechteste Bundesligamannschaft aller Zeiten.

Als sei es mit den eigenen Unzulänglichkeiten nicht genug, spielte zum Hinrunden-Abschluss auch die Konkurrenz geschlossen gegen Hertha. Die Siege der unmittelbaren Rivalen Bochum und Stuttgart haben die Aufgabe für Hertha noch ein wenig anspruchsvoller gestaltet. Es fällt schwer, dieser kraft-, willen- und führungslosen Mannschaft jenen Jagdinstinkt zuzutrauen, von dem Trainer Friedhelm Funkel so gern spricht, wenn es um die schon Mitte Januar beginnende Rückrunde geht, die doch kaum mehr werden dürfte als eine Abschiedstournee oder Vorbereitung auf die Zweite Liga. Funkel aber spricht ungebrochen von Aufholjagd, die er mit einer runderneuerten Mannschaft starten will.

Am Sonntag gab Hertha die Verpflichtung des Schalkers Lewan Kobiaschwili bekannt. Der Linksverteidiger kennt sich in der Bundesliga aus, für Schalke 04 und den SC Freiburg machte er insgesamt 289 Spiele, zuletzt allerdings mit wechselhaften Leistungen. Der 32-Jährige bringt Erfahrung in das noch immer verunsicherte Berliner Gebilde ein – aber wird das wirklich reichen?

Die ehrlichste Bestandsaufnahme in diesen Tagen kommt von Torwart Jaroslav Drobny. "Wir dürfen uns nichts vormachen, bei uns sind einige Spieler einfach nicht gut genug“, sagt der Tscheche. Das ist heftig formuliert und kommt der Wahrheit doch sehr nahe. Umgekehrt könnte man auch fragen, wer beim vom Ergebnis eher glimpflich ausgefallen Debakel in München überhaupt den Ansprüchen einer durchschnittlichen Bundesligamannschaft genügte. Vielleicht Drobny, in Ansätzen Friedrich, dazu die defensiven Mittelfeldspieler Fabian Lustenberger und Cicero. Alles brave Arbeiter. Wenn es um Fußball als spielerisches Element ging, konnte sich Hertha in München nur auf den Brasilianer Raffael und den Kolumbianer Adrian Ramos verlassen, beide erzielten sie nicht ganz zufällig die Berliner Tore. Aber was sollen sie schon anfangen in einer fußballfeindlichen Umgebung, wie sie Hertha zuweilen darstellte?

Es gab da Mitte der ersten Halbzeit eine bezeichnende Szene. Raffael hatte sich am rechten Flügel durchgedribbelt bis auf die Grundlinie und perfekt zurückgespielt auf Ramos. Der Kolumbianer war in bester Schussposition, doch in letzter Sekunde preschte sein eigener Kollege Maximilian Nicu dazwischen und wurschtelte den Ball ins Aus. Wer solche Mitspieler hat, braucht keine Gegner.

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